Trackspatz auf Weltreise

Tunesische Gastfreundschaft

Tunesische Gastfreundschaft

Jeden Tag nehmen wir uns vor, früh genug auf die Suche nach einem Übernachtungsplatz zu gehen.

In Tunesien geht die Sonne früher unter, und nachmittags ab sechs wird‘s schon düster. Das heißt, um fünf sollte man schon einen Platz gefunden haben. Leider schlampen wir da immer wieder.

Und ebenso leider kann man einer Landkarte oder auch Google Maps nicht entnehmen, ob eine Gegend zum freien Stehen für unser Auto geeignet ist.

So passierte es uns auch in der Gegend südlich von Monastir, dass wir in die Dämmerung gerieten (in der Dunkelheit braucht man eh nicht mehr zu suchen. Da muss man dann eben auf irgendeinem Parkplatz ausrollen und hoffen, dass man in Ruhe gelassen wird). Wir konnten nicht ahnen, dass die auf der Karte dünn besiedelt aussehende Gegend eine einzige kultivierte Orangenplantage ist.

Auf landwirtschaftlich genutzten Privatgrund stellen wir uns nicht. Aber anderen Grund gab es nicht. Also fuhren wir doch in einen breiten Feldweg durch eine Plantage in der Hoffnung, irgendein Versteck zu finden. Überall Arbeiter, ein junger Mann auf einem Traktor, keine Chance.

Eine geeignete Stelle fanden wir, wo wir niemanden stören würden. Und kurz dahinter hütete ein älterer Mann in Arbeitsklamotten seine wenigen Schafe. Ich schlug vor, den zu fragen, ob wir vielleicht an der einladenden Stelle über Nacht stehen könnten. Julie meint, das könne uns doch so ein einfacher Schäfer nicht gestatten; dazu müssten wir schon den Plantagenbesitzer fragen. Wir sollten weiterfahren. In einem Anflug von partnerschaftlichem Todesmut setzte ich mich durch, stieg aus und sprach den Mann an. In meinem schlechten Französisch – bessere Sprachkenntnisse hätten aber auch nichts gebracht: Der Mann sprach nur Arabisch und verstand nichts. Ich ihn aber auch nicht.

Also zückte er sein Handy und rief irgendjemand an. Und nach einiger Zeit kamen vom zugehörigen Gehöft zwei seiner Töchter von etwa 15 bis 16 Jahren quer durchs Gelände gelaufen. Eine von den beiden sprach ganz rudimentär Französisch. Immerhin so weit, dass ich nach etlichen Versuchen unser Anliegen vorbringen konnte. Der Patron lehnte unser Ansinnen kategorisch ab. Kommt ja gar nicht in Frage. Natürlich übernachten wir auf seinem Hof. Es war absolut unmöglich, ihn davon zu überzeugen, dass wir lieber „draußen“ bleiben wollen. Uns schwant Böses. Eine Tochter steigt zu Julie ins Auto und lotst sie zum Hof, der Rest läuft. Wir beziehen einen Platz vorm Haus. So weit, so gut.

Kurz danach stehen die Mädels wieder vorm Auto: Wir sollen zum Essen kommen. Widerstand zwecklos. Seufz ...Wir lassen uns mitzerren. Ein riesiges Haus mit großem Esszimmer und noch größerem Wohnzimmer. Rundum an drei Wänden Sitz- und Liegepolster. Alle ziehen ihre Schuhe aus. Wir nicht – wir haben ja keine.

Inzwischen hat der Hausherr seine ganze Verwandtschaft, also weitere Kinder und Enkel, angerufen, die nacheinander eintrudelt. Das Treiben ist mit „lebendig“ nur unzureichend beschrieben, Einer der Schwiegersöhne spricht leidlich Französisch, so dass wir das Nötigste austauschen können. Für den Rest ist Apple zuständig: Der Google-Übersetzer im iPad glüht und leistet Schwerarbeit beim Übersetzen zwischen Arabisch und Deutsch und umgekehrt. Julie und Mona übernehmen diesen Part höchst intensiv.

Familie

Und dann – es ist inzwischen gegen zehn Uhr – wird zum Essen gerufen. Natürlich sind wir gespannt, wie das abgeht. Also: Männer und Frauen sitzen an getrennten Tischen. Außer Julie: Die wird neben mich platziert. Ein Ehrenplatz. Zum Essen: Der „Hauptgang“ kommt in einer Schüssel, d.h., eine Schüssel für die Männer, eine für die Frauen, eine für uns. Und für jeden einen Löffel. Etwas irritiert schauen wir uns nach Tellern um. Es gibt keine. Es gibt Reis mit leckerem Hühnerfleisch, Couscous und diversen Gemüsen, dazu frisches Brot und Kleinigkeiten wie Oliven. Und gegessen wird mit dem Löffel und den Fingern direkt aus der Schüssel. Und es ist lecker!

Es wird Zeit für uns: Am nächsten Tag, also Ostersonntag, wollen wir in Sousse in die englischsprachige Gemeinde in den Gottesdienst. Da heißt es früh raus, weil wir noch etliche Kilometer zu fahren haben. In der Familie herrscht völliges Unverständnis, dass wir nicht im Haus schlafen wollen, sondern unseren gewohnten Schlafplatz vorziehen.

Ostermorgen: Eine kleine Delegation steht vor unserem Felix: Wir möchten doch, bitte, zum Frühstück kommen. Mittlerweile wissen wir, dass Gegenwehr möglich, aber zwecklos ist. Also trotten wir brav herbei, aber immerhin gelingt es uns, ihnen klarzumachen, dass wir wirklich wenig Zeit haben. Also serviert man uns das Frühstück mit Milch statt mit Kaffee. Seltsame Situation: Julie und ich sitzen am Tisch, die Gastfamilie schaut zu.

Für ein Gruppenfoto mit einem Großteil der Familie reicht es gerade noch, dann müssen wir los. Der Abschied ist herzlich und voller ehrlichem Bedauern, dass wir schon losmüssen. Ob wir denn nicht nach dem Gottesdienst zurückkommen können? Leider nein, denn wir haben schon die Fähre nach Sizilien gebucht. Aber ob wir denn, wenn wir wieder nach Tunesien kommen, ganz, ganz gewiss wieder bei ihnen zu Besuch kommen? Nun, das können wir mit gutem Gewissen fest versprechen. Eine kleine Frage und Bitte trägt solche Früchte!

Schön.

 

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Zausel

Zausel

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Der Trackspatz guckt immer erst mal drauf, ob's sich nicht schon wieder um Werbe-Spam handelt

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Mike von unpaved.de
Ach herrje - dieses viel zu späte Stellplatz-Gesuche und die guten Vorsätze am nächsten Morgen kenne ich nur zu genau. Klappt bei uns auch gegen nie strebend ...
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Julie
Wir haben uns aber schon gebessert. Das ergibt sich, wenn man in Rente ist und "Zeit" hat. Ich hasse es, so spät zu kochen.
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