Über Griechenland haben wir bisher noch nicht viel geschrieben. Obwohl wir nun schon oft dort waren und viel erlebt haben. Im Zick-Zack haben wir schon alles abgegrast und jeden Offroad-Track kaputtgefahren.
In diesem Jahr kommen wir aus der Ukraine her nach Griechenland und steuern zielstrebig auf Thassos zu. Geht aber nicht – da liegt Wasser dazwischen. Thassos ist eine Insel im östlichen Griechenland. Gar nicht mal weit von der Türkei entfernt.
Thassos ist einfach zu erreichen. Man fährt einfach auf die Fähre, ohne zu schauen, wann überhaupt eine losfährt. 40 Minuten dauert die Überfahrt. Die Insel Thassos aus Sicht von der Fähre
Wir umkreisen die Insel im Uhrzeigersinn. Mitten über die Insel fahren geht nicht. Da liegen dicke Berge dazwischen. Hohe und felsige. Das heißt: Offroadfahren. Großartige Strecken gibt es hier. Ein Grund, warum wir überhaupt hier sind. Aber nicht nur deswegen – die Insel ist wirklich schön! Abwechslungsreich – nicht so eintönig, wie z.B. Korfu oder so… Auf Thassos gibt es alles.
Wir erreichen die Marble Beach. Da fallen uns schon mal die Augen raus. Ein Strand, wie in der Südsee. Das Wasser ist so klar, dass man meinen könnte, es sei gar kein Wasser da und die Boote schweben in der Luft. Nebendran wird Marmor abgebaut. Der ist so weiß, dass dicke Sonnenbrillen notwendig sind, um überhaupt die Augen öffnen zu können. Wir übernachten dort auf einer Klippe. Marble Beach - Ein Strand wie in der Südsee
Giola ist ein Wasserloch. Ein besonderes Wasserloch. Ein von der Natur geformtes Pool, das ständig vom Meerwasser gefüllt wird. Was ein Spaß. Nicht ganz ungefährlich. Denn dieses Loch befindet sich in den Klippen zum Meer und so mancher Brecher kann unachtsame Schwimmer über die Klippe reißen. Diese ist zwar nicht besonders hoch, ich stelle mir das trotzdem recht ungesund vor.
Ich überrede den Zausel, vom Parkplatz aus hinab zu den Klippen zu klettern. Grenzwertig für ihn, da er nach seinem Schlaganfall ja nicht mehr richtig sehen kann. Bravo, es hat ihn nicht über die Klippen geschlagen. Belohnt wird dies mit einem griechischen Eiskaffee in einem Restaurant in der Nähe. Giola - Ein Felsenpool im Mittelmeer
Giola Lagune - Nicht ganz ungefährlich...!
Wir übernachten an der Livadi Beach. Da kommt, je nach Wetter, nicht jeder mit seinem Fahrzeug hin. Wir schon – wir kommen überall hin. Es ist wunderschön und einsam dort. Die meiste Zeit gehört uns der Strand allein. Krawattenzwang gibt es an diesem Strand nicht.
Wir erreichen die andere Seite von Thassos. Hier ist es möglich, in die Berge zu fahren. Wir suchen uns ein paar wilde Strecken aus unserem Griechenland Offroadbuch heraus. Diese sind wirklich wild. Zwei Tage lang grasen wir alles ab. Wir sind begeistert.
Irgendwo da oben erreichen wir ein Bergdorf namens Kastro. Dies soll die erste Besiedelung der Insel gewesen sein. So sieht es auch immer noch aus. Die meisten Häuser bestehen aus aufgeschichteten Steinen. Viele Häuser sind inzwischen verfallen und geben dem Dorf einen verlassenen Eindruck. Und doch – das macht es aus. Wir quälen unseren Felix durch enge Gassen und landen in einer Ecke des Dorfes, das in der Saison sehr lebendig zu sein scheint. Uns wird zugewunken und wir erfahren, dass das Restaurant dort von einem Griechen geführt wird, der in Deutschland geboren wurde. Deutsch kann er nicht mehr. Zu lange her.
Kastro - Das älteste Dorf der Insel
Wir kehren ein und trinken das dortige National- bzw. Dorfgetränk: Limonade mit Honig. Auf der Speisetafel wird das sogar auf Deutsch angepriesen. Wir werden in einer überraschend herzlichen Art bedient. Dazu essen wir noch Käse- und Tsatsiki-Dips. Ich frage nach einem Kühlschrank-Magneten des Dorfes als Souvenir. Gibt es leider nicht mehr, erklärt uns die bedienende Dame. Doch 5 Minuten später liegt ein Magnet auf unserem Tisch. Die nette Dame hat diesen Magneten just von ihrem eigenen Kühlschrank zuhause abgenommen und uns geschenkt.
Brot brauchen wir auch noch. Für unser Frühstück morgen früh. Natürlich gibt es hier in den Bergen weder Bäckerei noch sonst einen Laden. Ich frage die Dame nach Brot. Kurze Zeit später liegt eine Tüte auf unserem Tisch mit 4 Schnitten superleckerem Brot. All das soll nichts kosten.
Das ist Griechenland!
]]>Wie bereits erwähnt, toben wir seit vier Tagen um und über die Berge der griechischen Insel Thassos - und davon gibt es viel. FELIX hat wieder mal zu zeigen, wozu er im schweren „Geläuf“ imstande ist.
Er schlägt sich wacker und zerrt und samt „Wohnung“ unverdrossen über und durch jedes Hindernis.
Es gibt allerdings auch Situationen, wo er zaudert:
Vorhin war plötzlich der Track vor uns übersät mit Baumstammstücken von etwa einem halben Meter Durchmesser. Da klettert man nicht einfach drüber. Die muss man wegräumen. Na und?
Das Problem lag darin, dass oben am Berg hörbar immer noch Holzarbeiten stattfanden. Die haben oben einfach die Stämme zersägt und die fetten Teile einfach den Berg runtergeschmissen! Jeden Moment konnten die nächsten Trümmer runtergeschossen kommen und in uns oder den armen FELIX einschlagen.
Unangenehm.
Nun, wir hupten kräftig und anhaltend, worauf ein Arbeiter angehüpft kam und uns irgendwelche Sachen zurief. Allerdings hilft mir bei Griechisch auch mein Großes Latinum nicht.
Immerhin stürzten uns keine weiteren Brocken auf den Deez, und wir konnten den Weg freiräumen.
Aber es war schon ein Gefühl der Erleichterung, als wir diese Stätte hinter und lassen konnten.
Im Ernst: Wer kommt schon auf die bescheuerte Idee, am Berg schwere Holzbrocken auf Waldwege zu schmeißen?
Ich kippe unseren alten Kühlschrank ja auch nicht einfach vom Balkon auf die Straße!
Die zweitgrößte Stadt Bulgariens ist Plovdiv. Kennt keiner? War uns vorher auch kein wirklicher Begriff. Die Stadt liegt jedenfalls so ziemlich in der Mitte von Bulgarien und liegt in einer großen flachen Ebene.
Nördlich davon befindet sich ein Bergzug, den wir durchquerten. Dabei stießen wir auf ein wunderschönes Schwarzwald-Dörfchen namens Zheravna.
Intensiver beschäftigten wir uns allerdings mit den Rhodopen. Ein Bergzug mit viel Geschichte, der sich südlich von Plovdiv befindet und sich bis über die Grenze nach Griechenland zieht. Da gibt es einiges zu sehen, was allerdings auch viele Touristen anzieht.
Vier Highlights möchte ich nennen.
Nummer eins: Die Wonderful Bridges.
Ein Naturphänomen. Gigantische Felsbögen überspannen einen kleinen Bach, und man staunt, was so ein Wasserlauf anrichten kann. Das ist so phänomenal, dass ich auch den halbblinden Zausel dort hinuntergelotst habe. Unfallfrei.
Nummer zwei: Die Teufelsbrücke.
Vor ein paar hundert Jahren führte eine Handelsstraße durch die eigentlich unwegsamen Rhodopen. An einer Stelle musste eine für damalige Verhältnisse große Brücke gebaut werden. Diese Brücke wurde so robust gebaut, dass sie noch heute so aussieht, als wäre sie gestern fertiggestellt worden.
Nummer drei: Orlovi Skali.
Das ist ein Fels mit unzähligen eingehauenen Nischen, die einem religiösen Hintergrund der Thrakier dienten. Kultgegenstände wurden für das Nachleben der Verstorbenen in diese Nischen gelegt.
Nummer vier: Skalni Gabi.
Auch genannt „Kamennata Svatba“ oder „Stone Wedding“
Das sind blendend weiße Felsformationen, die unter anderem sich küssende und sich umarmende Gestalten darstellen.
Und danach fuhren nach Griechenland.
Dazu mussten wir allerdings aufgrund Corona zuvor 2 Stunden lang Pamphlete für die Grenzkontrollen ausfüllen, damit wir „rüber“ durften. Darin fehlte nur noch die Frage zur Schuhgröße.
Gabs da nicht mal sowas wie das Schengener Abkommen?
Lange haben wir nichts von uns hören lassen. Wir waren am Strand. Urlaub machen. In Bulgarien. Zwischen Varna und Nesebar. Da gibts halt nicht viel zu erzählen.
Doch seit drei Tagen sind wir wieder auf Achse. Im Landesinneren erkunden wir Tracks abseits der geteerten Wege in den Bergen zwischen Nesebar und Plovdiv.
Dabei stießen wir auf Aliens, die vor einigen Jahren das Raumschiff Orion gekapert hatten. Hier ist es wieder aufgetaucht - ziemlich vergammelt und inzwischen fluguntauglich.
]]>
Chisinau - wer in Deutschland kennt schon diese Stadt?
Wer hat überhaupt schon mal den Namen vernommen?
Kaum jemand. So ging es uns auch.
Und nun steht mittlerweile „Chisinau“ als Stern an unserem Reisehimmel.
Kurzer Rückblick: Vor vier Jahren hatten wir diese Hauptstadt Moldawiens besucht und bei der dortigen Baptistengemeinde einen unvergesslichen Gottesdienst erlebt- nebst anschließender Einladung durch eine wundervolle Familie. Die ganze Geschichte >>in diesem Blog<< zu lesen.
Vor einigen Tagen trieb es uns wieder durch Moldawien (genauer: „Republik Moldau“), allerdings wollten wir nur auf dem kürzesten Weg von der Ukraine nach Rumänien durch Moldawien hindurchschnüren. Die seltsame Grenzsituation zwischen den drei Ländern gab uns aber einen Weg vor, der doch nahe an Chisinau vorbeiführte. Nun kamen wir doch ein wenig ins Grübeln: Sollten wir etwa uneingeladen bei der Familie auftauchen? Sowas macht man eigentlich nicht - sich quasi selbst einladen. Auf der anderen Seite: Es wäre doch jammerschade, solch eine Gelegenheit zum Wiedersehen nicht zu nutzen…
Na ja, vorbeifahren kann man ja mal…
Nur: wir hatten die Adresse nicht dabei, nur noch ungefähre GPS-Koordinaten. Nicht sehr hilfreich in einem kleinräumig parzellierten Wohngebiet mit sehr engen Gassen. Dazu kam, dass wegen einer Baustelle die Zufahrt geändert war. Und an das richtige Hoftor konnten wir uns nach vier Jahren auch nicht mehr erinnern. Aber schließlich brauchten wir das gar nicht: Die beiden riesigen Berner Sennenhunde der Famile - mit Namen Bernhard und Martina - hinter dem richtigen Tor erinnerten sich an uns und veranstalteten ein Heidenspektakel.
Hier waren wir richtig. Nur half uns das nicht weiter: Die Familie schien ausgeflogen. Was hatten auch erwartet?
Gerade als wir enttäuscht rückwärts aus der Zufahrt wieder wegfahren, als hinter uns das Auto von Vater Vadim auftauchte - der vor Verblüffung gleich eine Vollbremsung hinlegte, als er unser Auto erkannte.
Zufall?
Ein herzliches „Hallo“, und es war gleich so, als wären wir nie vier Jahre weggewesen. Tochter Christina tauchte auch auf, und schon hatten wir das schönste Palaver.
Dann klingelte das Telefon, und Mutter Ina meldete, dass sie auf dem Heimweg sei. Na, dann wären wir ja wieder komplett…
Kaum war sie angekommen, ging auch schon die Post ab: „Natürlich“ waren wir zum Essen eingeladen, was bedeutete, dass die quirlige Ina sich gleich in die Küche stürzte und über eine Stunde lang intensiv werkelte, während wir gemütlich plauderten.
Und dann kam der Hammer: Sie und Vadim mussten noch mal bis spät in den Abend weg. Die ganze Kocherei war nur für uns!
Wie steigert man „Gastfreundschaft“?
Muss ich noch erwähnen, dass wir selbstverständlich NICHT im FELIX schlafen durften?
Tochter Christina räumte extra ihr Zimmer…
Dabei hatten wir doch nur kurz vorbeischauen wollen…
Und das alles mit soviel Herzlichkeit und Selbstverständlichkeit, dass es einen sprachlos werden lassen kann.
Darum: Wenn ihr hier mitlest - Ihr seid wirklich herzlichst zu uns nach Deutschland eingeladen!
Ihr müsst nur noch sagen, wann.
]]>
Gerade haben wir Hammerfest verlassen und wollen nun langsam die vielen Fjorde abklappern – also der Küste Nord-Norwegens entlang in Richtung Westen. Unser letzten Berichte beschrieben ja die Fahrten aus dem >Baltikum< und >Finnland< kommend zum >Nordkap und Hammerfest<.
Wir haben ja schon erwähnt, dass wir diese Reise in dieser Form gar nicht vorhatten. Doch aufgrund Corona verschlug es uns in den Norden. Mitten im Sommer fahren wir in winterliche Gegenden. Unfassbar, da wir eigentlich doch Wüsten-Nomaden sind. Na schön, fahren wir eben auf der ganzen Länge die norwegische Küste entlang. 3000 Kilometer, mit ein paar Abstechern werden 4000 Kilometer zusammen kommen. Norwegen ist also ein ausgedehntes Land… sehr ausgedehnt!
Seit unserem Betreten von Norwegen ist es feucht. Windig, nieselig, und immer in Sichtweite von schneebedeckten Bergen. Im Norden von Norwegen gibt es kaum Straßen oder Tracks. Bis Alta können wir praktisch keine Alternativroute ausmachen.
Was macht man denn im Regen? Die wenigen kulturellen Sehenswürdigkeiten sind nicht nur aufgrund von Corona geschlossen... die Saison ist vorbei. Ab Mitte August ist die Show gelaufen. Nun, man bleibt im Auto und schaut sich die Landschaft durch die Autofenster an. Also fahren wir, und fahren…
Nachts fällt die Temperatur auf 8°C. Wir packen unsere dicken Winterklamotten aus. Ironischerweise bekommen wir einen Anruf aus Afrika. Aus Marokko. Ein junger Mann namens >Osama<, dessen Familie wir vor ein paar Jahren in der Nähe von Marrakesch kennenlernten, hat uns ausfindig gemacht. Wir bekommen Bilder aus der Hitze, er von uns Bilder aus der Kälte.
Gletscher, schneebedeckte Berge und Nebel wie im Winter
Wir erreichen Alta. Was gibt es da? Nix. Wir gehen einkaufen. Unsere Finnische SIM-Karte funktioniert immer noch. Hier in der Nähe soll es ein Eishotel geben, sagt das Internet. Naja, im Sommer steht es sicher leer. Wir fahren trotzdem hin. Wir wollen sehen, wie das ohne Eis aussieht. An einem Fluss mit dem lustigen Namen Gammelbollo steht so etwas. Es besteht nur aus einem Eisengestell auf einer Betonplatte. Im Winter wird es solange mit Wasser besprenkelt, bis alles vereist ist. Und dann stellt man eben Betten rein…
Doch nun wird es malerisch. Das Wetter klart auf und wir erkennen endlich, wo wir sind: in den Fjorden von Nord-Norwegen… welch Überraschung. Drei Stunden Fahrt nach Oksfjord. Eine wunderschöne Tour. Immer an der Wasserkante lang, inklusive etlicher Tunnels. Bei Oksfjord finden wir ein hübsches Plätzchen für die Nacht. Die Zufahrt ist haarsträubend. Eigentlich noch nicht einmal einem Fußgänger zumutbar. Oksen haben wir keine gesehen…
Fischereihafen Oksfjord. Gibt es hier nun eigentlich Fische oder Oksen?
In den nächsten Tagen regnet es wieder. In Storslett wärmen wir uns in einem einfachen Café für 25 Euro mit einer heißen Schokolade und einem Stück Kuchen auf. Ja, Norwegen ist teuer!
Was uns trotz schlechten Wetters, trotz Nachsaison und trotz Corona auffällt: es gibt unglaublich viele Wohnmobile. Ist halb Europa auf der Flucht vor Corona? Was wird wohl in besseren Zeiten hier los sein?
Wir machen einen Abstecher zur Insel Kagen. Auch diese Insel erreichen wir durch einen Tunnel unter dem Meer hindurch. Ein großer geteerter Parkplatz kommt in Sicht… Wohnmobile. Alles Deutsche. Alles. Eigentlich ist hier das Übernachten verboten, so steht es auch auf Deutsch auf einem Schild.
Wir übernachten hier. Wir werden nichts besseres hier finden, sagt uns ein Rentner-Ehepaar aus Dresden, die schon seit Jahren immer wieder auf diesem Platz verweilen. Ein Schweizer Eidgenosse mit einem Kastenwagen stößt dazu. Er ernährt sich aus Tonnen von Tabletten, das Ergebnis eines Schlaganfalls. Kommt uns irgendwie bekannt vor. Zausel?
So manche Deutsche fühlen sich im Schmuddelwetter auf Kagen wohler als im Deutschen Sommer...
Es ist kalt und nass. Ein grausiges Wetter. Tiere bekommen wir keine zu Gesicht. Wahrscheinlich ist das hier sogar für die Rentiere zu schmuddelig. So richtig viel gibt es nicht zu erzählen. Wir genießen eben die Fahrt entlang der schönen Küste.
Auf einem anderen Parkplatz stellen wir uns zwecks Übernachtung neben ein Häuschen. Es ist ein Klo. Eine >Kreditkarten-Toilette<. Kein Witz. Um diese Toilette zu benutzen, wird eine Kreditkarte benötigt. Unfassbar. Es wird zwar keine Gebühr erhoben, die Tür öffnet sich eben nur mit einer gültigen Kreditkarte. Ist man nicht im Besitz einer solchen, hat man eben verschissen…
Die Temperatur sinkt inzwischen auf 5°C. Nachts. Die Feuchtigkeit des Dauerregens zieht in unser Zelt ein. Alles ist klamm und muffelt. Wir essen fertigen Kartoffelsalat in schmieriger Mayonnaise. Die Norweger lieben Kartoffelsalat in schmieriger Mayonnaise.
Die Finnische SIM-Karte verweigert nun ihren Dienst. Wir waren bei der Einreise aus Finnland ja überrascht, dass unsere Finnische SIM-Karte mit unlimited Kontingent auch in Norwegen funktioniert. Und das, obwohl mobiles Internet in Norwegen sehr teuer ist. Nun, war wohl nix mit unlimited. Zumindest nicht in Norwegen. Wir schalten auf unsere Deutschen SIM-Karten um. Immerhin beteiligt sich auch Norwegen am EU-Roaming Verfahren, obwohl Norwegen gar kein EU-Mitgliedsstaat ist.
Die Strecke von Kagen nach Tromsø soll eines der schönsten Strecken Nord-Norwegens sein. Fahren wir also eines der schönsten Strecken Nord-Norwegens. Leider sehen wir nicht viel, es regnet. Alles ist klamm. Wir würden uns gerne mal wieder duschen. Aber so? Wir duschen nicht.
In Tromsø ist es dunkel. Nein... äh, ja, halb Tromsø ist unterirdisch. Ampeln, Kreuzungen, Kreisverkehre. Nie haben wir eine solch unterbaute Stadt gesehen. Tromsø ist eine kleine Insel. Da wird‘s halt irgendwann mal eng. Wir bemerken das an den vielen Staus. Und da in Tromsø die Sonne jedes Jahr sowieso für einigen Monate hinterm Horizont verschwindet, hat man wohl gedacht, bauen wir halt gleich nach unten… der Wintersonne entgegen...
Wir besorgen uns eine Norwegische SIM-Karte. Diese gibt’s überall in der Kiosk-Ladenkette namens Narvesen zu kaufen. Welch ein Unterschied zu Finnland: für 5 Gigabyte bezahlen wir 25 Euro. Vor lauter Schreck gehen wir nebenan in einem total verrauchten und überfüllten Studentencafé einen Kaffee trinken. Kostet gerade nochmal so viel. Inklusive Corona… denn eine Abstandsregel gilt hier nicht. Weitere 100 Euro hinterlassen wir in einem Rema-XXL Supermarkt für ein paar Kleinigkeiten, die unsere Kühlbox befriedigen sollen. Von einem älteren Herrn bekommen wir eine kostenlose Brotberatung. Er zeigt uns Brotsorten, die einen Menschen über Wasser halten können, ohne zu verarmen. Nett von ihm, denn jetzt können wir uns einen Besuch in der Kirche leisten.
In der Kiosk-Kette Narvesen gibt es alles... auch SIM-Karten
Die moderne Eismeerkathedrale ist das eigentliche Highlight von Tromsø und von überall sichtbar. Diese Kirche liegt nicht auf der Insel, sondern auf dem Festland, erreichbar über eine Brücke oder durch einen Tunnel unter dem Meer durch. Die Besichtigung der Kirche kostete… nein, das schreibe ich jetzt nicht, darüber haben wir uns hier schon ausgelassen: >Tromsø-Eismeerkathedrale<.
Wir übernachten auf einem schlammigen Plätzchen am Flughafen. Jede Menge Flugzeuge düsen über unsere Köpfe hinweg. Moment… wurde der Flugverkehr durch Corona nicht lahm gelegt? Wir schauen mal genauer nach. Das Terminal sieht leer aus, doch davor warten viele Menschen im Regen. Ohne gültiges Abflugticket ist der Zutritt zum Terminal verwehrt.
Tromsø fanden wir nicht besonders schön. Allerdings ist Tromsø sehr schön gelegen. Das sieht man auch auf allen Reiseprospekten und auf Bildern im Internet. Von Tromsø gibt es fast nur Luftaufnahmen oder Aufnahmen von einer Seilbahnstation aus. Kein Wunder.
Auf der Weiterfahrt nach Mortenhals passieren wir die erste Mautstelle der ganzen Fahrt. An einem Tunnel unterm Meer durch. Die Mautstelle besteht nur aus einer Kamera, die unser Nummernschild fotografiert. Die Rechnung wird uns in paar Monaten präsentiert. Bis dahin haben wir keine Ahnung, was das kostet.
In Mortenhals übernachten wir vor einer Kirche und kommen auch prompt mit der Organistin ins Gespräch. Christine Rothfuchs, eine Deutsche, die in Frankfurt Musik studiert hat. Sie lebt jetzt hier in einem Haus nebenan mit einem Grasdach. Wir berichteten bereits >hier< darüber.
Wir würden uns übrigens gerne mal Duschen.
Christine Rothfuchs zeigt uns ihr Haus und die Funktion eines Grasdaches.
Senja wird uns empfohlen. Senja. Auch das ist eine Insel. Eine große Insel mit vielen Fjorden. Also fahren wir nach Senja. Der Ort Finnsnes ist das Tor zu dieser Insel. Zufahrt über eine Brücke.
Endlich ist das Wetter schön. Einigermaßen jedenfalls. Man stelle sich das mal vor. Den ganzen Tag ohne Regen. Wir fahren von Fjord zu Fjord. Von Fischerdorf zu Fischerdorf. Durch unzählige Tunnel. Also das können die Norweger – Tunnel bauen. Die Schweiz rühmt sich des Gotthard-Tunnels. Darüber lachen die Norweger. Die Schweizer sollten mal nach Norwegen fahren…!
Fjord an Fjord - Ort an Ort mit bunten Häusern - eins schöner als das nächste...
Wir genießen diese Fahrt in vollen Zügen. Wir erklimmen einen Pass und durchfahren dort oben einen weiteren Tunnel. Vor uns im Meer liegt eine idyllische Insel. Husøy. Malerisch. Ich komme ins Schwärmen. Und weiter. Das Fischerdörfchen Fjordgård erreicht man nur durch einen einspurigen unbeleuchteten Tunnel. Uiuiui, wenn da einer entgegen kommt. Es kommt einer entgegen. Zum Glück gibt es immer wieder Ausbuchtungen. Wenn man Pech hat, muss ein ganzer Pulk Autos eben rückwärts in solch eine Ausbuchtung fahren. Bei uns klappt es problemlos. Meist sieht man die Scheinwerfer eines entgegenkommenden Fahrzeugs rechtzeitig. Was für eine Tunnelei.
Ich verliebe mich in die vielen bunten Häuschen mit Grasdächern. Manchmal sieht es unwirklich aus, wie in einem Märchenland.
Wir übernachten in Mefjordvær auf einer großen Grasfläche. Zusammen mit mehreren anderen Wohnmobilen. Nachts regnet es mal wieder. Endlich. Haben wir schon vermisst. Alles steht >unter Wasser<. Das einzige Fahrzeug über Wasser ist unseres. Glück gehabt. Doch glücklicherweise entpuppt sich auch der folgende Tag als angenehmer Reisetag.
Nach einem Abstecher nach Kråkeslottet landen wir in oder auf >Hamn i Senja<. Wirklich hübsch. Ich kann mich kaum satt sehen. Zum Fotografieren ist das Wetter nicht besonders geeignet, es ist sehr schattig. Aber egal, wir genießen. In Gryllefjord überlegen wir, ob wir mit der Fähre nach Andøya bzw. zu den Lofoten übersetzen sollen. Auf der Straße wären es 300-400 Kilometer Umweg. Wir nehmen den Umweg und schauen uns noch Torsken an. Über eine Passstraße zu erreichen. Ein Ferienort am Wasser. An jeder Straßenecke werden Ferienwohnungen angeboten. Aha, hier verbringen die Einheimischen also ihren Urlaub.
Hamn i Senja - eine Perle in Nord-Norwegen
Ein Eldorado für Angelurlauber
Wir übernachten bei Grunnfarnes neben >Trockengestellen< für Fische. Empfohlen von den Grubes. Ein sehr schönes Plätzchen, danke Christel und Michael. Am Horizont sehen wir Andøya, gute 30 Kilometer entfernt. In ein paar Tagen werden wir dort aufschlagen.
Wir würden uns gerne mal duschen. Schade, dass die Stockfischdarren leer sind. Sie würden den Duft, den wir zurzeit ausstrahlen sicher überstinken. Eigentlich haben wir ja eine Außendusche. Aber für uns Weicheier ist das Wetter einfach zu kalt. Da sind wir eben nix gewohnt. Für uns Wüstenfüchse sind 50°C in der Sahara einfach heimischer. Wir sind eben keine Lappen… nur Waschlappen, und die müssen jetzt halt mal eine Weile herhalten.
Was kochen wir eigentlich so unterwegs? Wir haben sogar einen Backofen dabei. Einen >Omnia<. Darin kann man Brot backen, Aufläufe machen, Kuchen… alles, was man zuhause auch so im Backofen macht. Zurzeit essen wir aber eher nordisch: Köttbullar, Labskaus und Lachs. Lachs, was das Zeug hält. Im Rema gibt es momentan zwei Packungen Lachs für den Preis von einer Packung.
Nun fahren wir den langen langen Umweg zurück über Finnsnes, Bardufoss und Narvik zu den Lofoten. In Bardufoss wollen wir uns eine Lachstreppe anschauen. Doch die Saison ist bereits vorbei und alles ist verlassen und geschlossen. Auch ein nachgestelltes und auffällig schönes Samendorf ist schon zu. Schade. Wir können trotzdem durch das Dorf mit den wunderschönen grasbewachsenen Häusern laufen und alles bestaunen. Bardu Bygdetun.
Das Museumsdorf Bardu Bygdetun
Hütten und Häuser mit Grasdächern gibt es nicht nur in der Antike, sondern sind brandaktuell
Den Ort Narvik kennt man. Aus der Schule als Weltkriegshafen. Wir erwarten eine moderne große Stadt, da sie schon seit 1000 Kilometer überall ausgeschildert ist. Präsentiert bekommen wir eine strunz langweilige Stadt mit einem grausig vergammelten Flughafen. Schnell wieder weg von hier. War teuer. Die Brücke, über die man Narvik erreicht, freut sich über 18 Euro Mautgebühr.
Unser Treffen mit Christel und Michael Grube klappt. Ihre Reiseroute führt der unseren entgegen und wir treffen uns in Lodingen. Ab hier befinden wir uns auf dem Inselreich der Lofoten und Andøya. Es ist feucht und wir verdrücken uns in ein Café bzw. ins Hotel Brück. Die Grubes sind etwas abgehärteter, als wir, eher keine Wüstenfüchse. Für die beiden ist das alles ganz normal hier. Hochsommerlich. Ja, stimmt, es ist ja noch Hochsommer. Hatten wir bereits vergessen.
Das ist aber schon fast das einzige, was uns unterscheidet. Es war wirklich schön. Die beiden hier zu treffen. Wir berichteten bereits >hier< darüber.
Wir fahren nach Andøya, bis an die Nordspitze der Insel, nach Andenes. Im Nieselregen. Auf dem Atlas sieht es so aus, als gehöre Andøya bereits zu den Lofoten. Gehört aber nicht. Darauf legt man großen Wert.
Auf halbem Wege, in Sortland, inhalieren wir uns Milkshakes für 10 Euro. Ein Oreo-Shake für mich. In einem Burger King. Der erste übrigens, den wir in Norwegen sehen. Ein McDonalds ist uns bisher noch nirgends über den Weg gelaufen. Die Strohhalme sind aus Pappe und lösen sich auf. Da erkennen wir noch Entwicklungspotential.
In Andenes regnet es wieder. Die Nacht wird kalt. Wir packen unsere Winterdecken aus, und das im August. Wir übernachten auf einer Wiese und schauen aufs Meer. Ein paar Raketen stören unsere Sicht. Raketen? Wieso befinden sich hier Raketen? Egal… Ein Backenzahn macht sich seit dem Oreo-Shake bemerkbar. Der wird doch nicht...? Dieser Shake war ja auch schon fast widerlich süß. Naja, wird schon wieder, schrubben wir die Zähne ab heute eben doppelt.
Morgens scheint die Sonne durch unsere Fenster. Wie schön. Nein, nicht so schön. Ich habe Zahnschmerzen. Mit Aussicht auf Raketen. Irgendwie passt das alles nicht zusammen. Ganz vorsichtig erwähne ich das beim Frühstück. Der Zausel schaut mich etwas unwirsch an.
Im Internet erfahren wir, wo wir hier eigentlich übernachtet haben. Direkt vor einem Space Center mit einer betriebenen Raketen-Startrampe. Ach… hier starten tatsächlich Raketen. Direkt vor uns. Nein, heute nicht, aber man kann das Center besuchen.
Das schauen wir uns an, inklusive zwei Filme über Raketentechnik und über Nordlichter. Kann man >hier< nachlesen.
Hier gibt es tatsächlich ein Raumfahrt-Zentrum mit Raketen-Abschussrampen
Die Fahrt zurück und in Richtung der Lofoten ist gigantisch. Es geht an einer Felsenküste entlang. Traumhaft. Mein rechter Backenzahn ist da anderer Meinung. Zurück in Sortland werde ich bei einem Zahnarzt vorstellig. Wahrscheinlich muss der Zahn gezogen werden. Einen Termin könnte ich in einer Woche bekommen. Die EU-Krankenkassenkarte akzeptieren sie nicht. Niemand würde sie in Norwegen akzeptieren. Man bezahlt sofort per Kreditkarte. Der Anmeldebereich sieht eher aus wie ein Kassenhäuschen. Schnell wieder raus hier und ab zur Zahnklinik. Doch da kommt man noch nicht einmal zum Kassenhäuschen der Anmeldung vor. Das geht nur telefonisch. Wegen Corona. Ich gebe auf und fahre zur Apotheke. Antiseptikum und Isoprofen müssen helfen.
Tiefhängende Wolken auf den Lofoten - so sieht in Norwegen schönes Wetter aus
Als der Zausel bei der Weiterfahrt auf die Lofoten so beiläufig erwähnt, er hätte auch Zahnschmerzen, erinnere ich mich an seinen unwirschen Blick heute Morgen…
Wir fahren nach Svolvær, der größten Stadt der Lofoten und machen einen Abstecher nach Henningsvær. Im Sonnenschein. Was haben wir heute Glück, ausgerechnet auf den Lofoten, der schönsten Gegend Norwegens. Dies ist der sonnigste Tag seit der Einreise nach Norwegen. Glück? Zausel schaut mich etwas verbittert an. Meine Zahnschmerzen lassen durch das Antiseptikum in dem Maße nach, wie sie bei Zausel zunehmen. Wir erwägen einen Rücksturz zur Erde… also die Heimfahrt.
Egal, nun versuchen wir, Henningsvær zu genießen. Mich erinnert dieses Fischerdorf an Honfleur in Frankreich. Oder Klein Venedig. Ein unglaublich verspielter und bunter Ort. Wie im Märchenland. Wunderschön auf der felsigen Insellandschaft gelegen. Malerisch. Hier kommen also all die tollen Bilder der Norwegen-Kalender her. Uns fallen fast die Augen aus… hoffentlich nicht auch die Zähne.
Henningsvær - ein Ort im Märchenland
Genau… die Zähne. Wir entscheiden uns für die Heimfahrt. Wir fahren bis ans Ende der Lofoten. Auf einem Parkplatz bei Moskenes endet die Straße. Am Fährhafen warten bereits etliche Fahrzeuge. Kein Mensch weiß, was die Überfahrt kosten wird. Die Aussagen schwanken zwischen 35 und 600 Euro. Im Internet findet man nur Hinweise auf Corona. Einen Fahrplan gibt es nicht. Ein Office auch nicht. Angeblich soll in zwei Stunden eine Fähre ablegen. Lassen wir uns überraschen. Ein Ehepaar aus Österreich meint, vor ein paar Wochen hätten sie mit ihrem Allrad-Fahrzeug noch 140 Euro bezahlt.
Typische Felsenlandschaft auf den Lofoten - ein Paradies für Trolle
Wir essen etwas auf der Straße. Falls man das essen nennen kann. Wir zerdrücken weiches Toastbrot mit unseren ruinösen Zähnen. Und tatsächlich, am Horizont taucht eine Fähre auf. Nach zwei Stunden. Wir dürfen alle mit. Unsere Kennzeichen werden abgelichtet… von Hand, für die Rechnung, die in einigen Monaten eintrudeln wird. Was es kosten wird, wissen wir immer noch nicht. Das scheint auch jedem hier egal zu sein.
2-½ Stunden soll die Überfahrt dauern. Sie dauert 3-½ Stunden. Während der Überfahrt suche ich für uns im Internet einen Übernachtungsplatz. Kurz nach Mitternacht legen wir in Bodø an und fahren im Konvoi zu unserem in 15 Kilometer entfernten Schlafplatz. Ja, richtig, im Konvoi. Offensichtlich haben sich alle Fahrzeuge für diesen Platz entschieden. Unfassbar. Aber egal… geschafft.
Wie war das eigentlich noch mit den Duschen???
Moskenes - ganz im Süden der Lofoten
Schon wieder Schmuddelwetter. In knapp 6 Tagen, am Montag, haben wir einen Termin bei unserem heimischen Zahnarzt bekommen. Sollten wir locker schaffen. Aufgrund Corona planen wir, auf Fähren über die Ostsee zu verzichten. Knapp 3000 Kilometer zu fahren. Hoffentlich werden wir nicht irgendwo in eine Quarantäne gesteckt.
Auf dem letzten Übernachtungsplatz riet uns ein Deutscher aus Friedberg, der hier seine Tochter besuchte, die Küstenstraße zu nehmen. Es soll eine der schönsten Strecken des Landes sein. Gut, das sollte in den 6 Tagen noch drin sein.
In Bodø kaufen wir essbaren Stoff, den zahnlose hundertjährige Greise gerade noch so essen können. Hauptsächlich Pudding und Joghurt. Also solchen „Kann-Kaum-Kaun-Fraß“.
Bei Saltstraumen überqueren wir den mächtigsten Tiden- bzw. Gezeitenstrom der Welt. In Australien nennt man so etwas einen Horizontal Waterfall. Viel zu sehen gibt es da nicht. Sieht halt aus, wie ein Fluss, der alle 6 oder 12 Stunden seine Richtung ändert.
Die Fahrt ist trotz tiefen hängenden Wolken sehr schön. Wir fahren durch etliche mautpflichtige Tunnel. Zweimal müssen wir eine Fähre nehmen. Wir kommen sehr langsam voran. Zu langsam. So langsam, dass wir die Küstenfahrt irgendwann abbrechen. Trotzdem ergattern wir für eine Nacht noch einen wunderschönen Übernachtungsplatz mit toller Sicht über ein Fjord und einem Gute-Nacht Kuss eines bunten Sonnenuntergangs.
Das Schicksal tröstet uns mit einem schönen Sonnenuntergang auf unserem Übernachtungsplatz
Die Zahnsituation bessert sich. Ibuprofen und Antiseptikum scheinen zu helfen. Wir fahren trotzdem nachhause. Die Mautstellen häufen sich. Uns wird schwummerig, wenn wir an die Rechnungen denken, die uns in einigen Monaten erreichen werden. Trondheim und Oslo zischen rechts an unseren Fenstern vorbei. Die Tesla-Dichte erhöht sich. Es wird immer wärmer. Wir nähern uns dem sonnigen Süden.
Kurz vor der Grenze nach Schweden befüllen wir unsere Tanks bis zum Stehkragen und fahren in einem Rutsch durch bis nach Hamburg. Der Grund? Ein Nachweis für Dänemark, dass wir ohne anzuhalten durch Schweden gefahren sind und auch so durch Dänemark fahren werden. Göteborg zieht an uns vorbei, und auch Malmö. Wir fahren über diese gigantische Brücke über die Ostsee nach Seeland, also nach Dänemark. An der Grenze finden nur Corona-Stichproben statt, wir werden durchgewunken. Unserer Bedenken waren also überflüssig.
An der Grenze von Dänemark nach Deutschland sehen wir lange Staus auf der Gegenrichtung. Deutschland wurde inzwischen als Risikogebiet eingestuft. Was, und da wollen wir hin???
In Deutschland stehen wir insgesamt 4 Stunden lang im Stau. Rückreiseverkehr. Die Schulferien enden. Das wussten wir nicht. Wir sind davon ausgegangen, aufgrund Corona wären die Straßen leer. Sie waren gerammelt voll!
Mein Backenzahn hat sich inzwischen wieder beruhigt. Dem Zausel wird ein Zahn gezogen.
Wir informieren uns im Internet, was eine "Dusche" ist...
Den Umgang mit dem Mundschutz nimmt man in Finnland noch um einiges gelassener als im Baltikum. Hier in Nord-Norwegen bekommen wir den Eindruck, es gibt gar kein Corona. Doch eines gibt es auch hier und wird kosequent genutzt: Desinfektionsmittel.
Auch in Norwegen bestehen für Touristen aus Deutschland keine Einreisebeschränkungen. An der Finnisch-Norwegische Grenze fanden keinerlei Kontrollen statt. Die Grenzübergänge waren unbesetzt.
Idylle am Übernachtungsplatz bei Grunnfarnes
DATEN UND FAKTEN ÜBER NORWEGEN: (ist noch in Arbeit)
]]>
Wir haben, aus dem >Baltikum< kommend, bei schönstem Wetter >Finnland< durchquert. Die angegebenen Links führen zu diesen Reiseberichten. Ursprünglich hatten wir gar nicht vor, soweit in den Norden zu reisen. Doch Corona macht‘s möglich. Corona hat uns aus dem restlichen Europa vertrieben. Der kühle Norden ist die einzige Region, in der man noch unbeschwert reisen kann bzw. konnte.
Wir wollen uns dieses Land etwas intensiver anschauen. Vorrangig interessiert uns die bergige Fjordlandschaft im Süden. Es wird sich aber ganz anders gestalten. Wir können uns vom Norden kaum losreißen und müssen den Süden komplett auslassen. Die Reise durch Norwegen wird 21 Tage dauern, vom 9. bis zum 29. August 2020.
1. Das Nordkap 2. Hammerfest 3. Eisbärenklub 4. Corona 5. Daten und Fakten |
Finnland bescherte uns gigantisches Hochsommerwetter und wir erwarten in Norwegen natürlich nichts anderes. Aber Nor wegen, äh, Von wegen… Dauernieselregen wird uns die nächsten 3 Wochen begleiten
Bei strömendem Regen erreichen wir aus Finnland kommend die Grenze nach Norwegen bei Karigasniemi, also ganz im Norden Finnlands. Im Grenzort betanken wir unseren Felix nochmals randvoll, denn in Norwegen soll die kostbare Flüssigkeit noch teurer sein. Es schüttet wie aus Eimern und wir können den Grenzübergang kaum erkennen. Dieser scheint menschenleer zu sein.
Trotzdem: aufgrund eines Pflanzenvirus ist es strengstens verboten, Kartoffeln nach Norwegen einzuführen. Und wir haben Kartoffeln dabei. Eben erst gekauft. Schade… also weg damit, in die Tonne…
Wir tauchen in eine total andere Welt ein: nichts mehr mit Flachland, sondern Berge, Wasserfälle, Felsen, Fjorde, Schnee...
Die Landschaft verändert sich seit dem Grenzübertritt radikal. Plötzlich gibt es Berge. Birken und Kiefern sind nur noch dünn gesät. Karstlandschaft, Felsen. Wir fahren in einem Rutsch durch bis zur elend langen Zufahrtstraße zum Nordkap. Die Häuser werden bunter, Norwegisch eben. Die ersten Ausläufer des Nordmeers erreichen wir bei Lakslev. Der erste Fjord unserer Reise. Wir übernachten auf einem Parkplatz. Dort stehen bereits ein paar Wohnmobile, die meisten mit deutschem Kennzeichen. Sollten die nicht alle zuhause sein und sich vor Corona verstecken?
Nachts zwischen 12 und 1 Uhr wache ich einmal auf und stelle fest: es ist noch fast taghell.
Es wird unterirdisch. Also so richtig unterirdisch. Ein 6 Kilometer langer Tunnel unter dem Meer verbindet die >Nordkap-Insel< mit dem Festland. Unterm Wasser durch. Die Straße führt richtig steil hinab, unter den Meeresspiegel. „Uiuiui, ob das alles hält?“ fragen wir uns. Zum ersten Mal in meinem Leben befinden wir uns mit einem Fahrzeug unter Wasser. Es folgt noch ein Tunnel. Und alles kostenlos. Es wird bergig. Und plötzlich endet die Straße. An einem Parkplatz. Mit einer Schranke und Kassenhäuschen davor. Das Nordkap.
„Kostet 20 Euro!“ „Äh… was kostet 20 Euro?“ „Der Parkplatz!“ „Wie bitte?“ „Ja, und wenn ihr da drüben in das Gebäude mit der Toilette, dem Restaurant und dem Souvenirshop rein wollt, kostet es noch 20 Euro extra, pro Person. Film gucken nochmals 10 Euro pro Person!“ „Ähem… nee, was?“ „Doch! Ansonsten mach ich die Schranke nicht hoch…“
50 Euro Eintritt für den Besuch eines Restaurants und einem Souvenirshop zu bezahlen, ist schlichtweg absurd! Wir zahlen die 20 Euro für den Parkplatz und sind fassungslos!
Wir laufen über den schrägen und ungepflegt steinigen Parkplatz vor bis zur Klippe. Es ist windig und eiskalt. Nun befinden wir uns also am nördlichsten Punkt Europas, den man mit einem Fahrzeug erreichen kann. Aha.
Ein paar wenige Leute laufen vermummt auf und ab. Einmal zur Klippe vor, auf der ein eiserner Globus steht, Fotos gemacht, und schnell wieder zurück. Außer einer Felsenklippe und viel Wasser ist nichts zu sehen. Aber wirklich jeder macht ein Foto davon. Wir auch. Ein >Frostbeulenfoto<. Aber jetzt können wir sagen, wir waren am Nordkap. Irre. Der Wahnsinn! Muss man mal gemacht haben!
Das ist er... der nördlichste Punkt Europas. Dabei stimmt das noch nicht einmal. Zum nördlichsten Punkt ist noch ein mehrstündiger Fußmarsch notwendig...
Die Besucherhalle am Nordkap. Das einzigste Gebäude dort. 20 Euro Eintritt pro Person, wenn man dringend auf die Toilette oder gar etwas kaufen möchte.
Wir laufen an der Rückseite des Gebäudes vorbei, um Schutz vor dem kalten Wind zu finden. Durch eine Tür gehen Leute ein und aus. Wir gehen ein. Also, durch die Tür ein, meine ich. Wie die andern auch.
Seltsam. Wo sind wir hier? Wir schauen uns alles an, kaufen etwas im Souvenirshop, und nutzen die Toilette im Restaurant. Wir kommen an einem Schalter vorbei. Man möchte unsere Tickets sehen. „Welche Tickets?“ frage ich ungläubig. „Raus..!!!“ war die Antwort.
Ach… so funktioniert das hier… Aber nun sind wir stolze Besitzer einer Nordkap-Kaffeetasse… und befinden uns wieder im Ekelwetter draußen.
Das klingt jetzt alles sehr ernüchternd, nicht? Ist es auch. Diesen Mist werden wir aber nie vergessen. Aber! Eben trotzdem! Da muss man einfach mal hinfahren. Die Fahrt zum Nordkap ist schon einzigartig. Das Gefühl, mal am trostlosen windigen Nordkap gestanden zu haben, ist schon grandios. Einzig, eine Tasse heiße Schokolade könnte dies noch übertreffen. Oder ein Glühwein. Oder doch wenigstens eine heiße Tasse Tee. Ja, Tee geht auch...
Zu sagen bleibt noch, und was die Preise vielleicht auch erklärt: im Juni/Juli in nicht-Corona-Zeiten ist der Parkplatz inklusiv der einzigen, 100 Kilometer langen Zufahrtsstraße völlig überfüllt. Man benötigt sehr viel Zeit und Geduld, denn die Schlange vor der Schranke ist dann sehr sehr lang!
Die Dörfer in Norwegen sind wirklich wunderschön. So bunt! Dies ist ein Dorf bei Hammerfest, wo wir übernachten werden.
Zwei Tage später sind wir in Hammerfest.
Das soll die nördlichste Stadt der Welt sein. Wirklich? Wir sind doch bereits durch Städte gefahren, die noch ein Stück nördlicher lagen, z.B. Honningsvåg… Wir schauen im Internet nach. Ja, es ist so, es gibt noch weitere Städte mit gleicher Größe, nördlich des Breitengrades von Hammerfest. Das Problem ist die Definition einer Stadt. Ab wann ist eine Stadt eine Stadt? Inzwischen ist es so, dass Hammerfest einfach nur aus Tradition als nördlichste Stadt der Welt bezeichnet wird. Sie waren eben die ersten…
Hammerfest liegt eigentlich auch, wie das Nordkap, auf einer Insel. Diese Insel erreichen wir über eine gigantische Brücke. Im Winter wird diese Brücke öfter mal gesperrt. Manchmal soll man da aufgrund von "Whiteouts" die Hand vor den Augen nicht mehr erkennen können und die Orientierung verlieren.
Hammerfest kommt in Sicht, und uns bleibt der Mund offen stehen. „Das ist ja eine richtig Stadt…“ In einem Buch von Bill Bryson wurde mir beim Lesen die Stadt Hammerfest als ein dunkles verschlafenes Nest vermittelt, in dem ab und zu mal jemand mürrisch die Straße entlang läuft und aus Langeweile Telefonbücher in einer Telefonzelle verbrennt. Und jetzt stehen wir vor einer supermodernen hellen Stadt mit Hochhäusern…
Das moderne Hammerfest. Sogar auf diesem Schild wird behauptet, es sei die nördlichste Stadt der Welt.
Und das alte Hammerfest - ein Foto aus dem Jahr 1890.
Parkplätze sind im Zentrum Mangelware und kosten Geld. Ich stehe mal wieder an einem Parkautomaten und verstehe… nichts. Ich tippe irgendwas ein und halte mein iPhone an den Automaten. Apple-Pay. Ja, auch in Norwegen wird praktisch alles bargeldlos abgewickelt, wie in Finnland. Ich habe Erfolg.
Wir stehen am Hafen. Hier soll es den Königlichen Eisbärenklub geben. Wir wollen Mitglied werden. Ja klar, deshalb sind wir ja in die Arktis gefahren. Elvis Presley haben sie nicht als Mitglied aufgenommen, weil er nicht persönlich anwesend sein konnte. Mal sehen, ob wir das schaffen.
Wir schaffen das! Feierlich werden wir in das Royale Geschehen eingewiesen und werden ermahnt, wie man sich als Mitglieder des Norwegischen Königshauses zu benehmen hat. Wir sind tatsächlich geeignet. Unfassbar! Nun, angeblich fließen von meinen Urgroßeltern ja noch ein paar Tropfen Arisches Blaues Blut in meinen Adern. Aber was ist mit dem Zausel? Nehmen die auch Zausels auf? Sie nehmen! Wir werden mit einem Penisknochen und einem Glas Lebertran zu Rittern geschlagen. Diese Zeremonie haben wir bereits >hier< beschrieben.
Das alles hört sich an wie ein schlechter Witz. Ist es aber nicht. Dieser Club wurde tatsächlich vor vielen Jahren vom Norwegischen König mit allen royalen Regeln ins Leben gerufen. Und wir gehören jetzt wirklich bis zu unserem Ableben der königlichen Familie an. Irgendwie…
Einen weiteren markanten Punkt gibt es in Hammerfest: Eine Meridiansäule. Vor über hundert Jahren wollte ein Forscher namens Struwe beweisen, dass die Erde nicht rund ist, also eher ein bisschen wie ein Ei. Um das zu tun, hat er 36 Jahre lang die Krümmung der Erde vermessen, von Hammerfest bis zum Schwarzen Meer. Auch darüber haben wir bereits berichtet >hier<.
Wir fragen nach der berühmten Telefonzelle von Bill Bryson. Eine einzige Telefonzelle soll es in Hammerfest geben und bei einem Bummel durch die Stadt finden wir sie auch. Verbrannte Telefonbücher liegen keine drin. Ein funktionierendes Telefon sucht man auch vergeblich. Die Box ist vollgestopft mit Büchern. Wie in allen abgeschalteten Telefonzellen in Skandinavien. Ein Bücherbasar. Findet man in Deutschland auch schon mal hier und da. Ist wohl Mode jetzt…
Aber ob dies die besagte Telefonzelle ist, ist sehr zweifelhaft.
Der Stolz von Hammerfest: die moderne Kirche aus Stahlbeton. Einen Blick ins Innere gibt es >hier<.
Mehrere Kirchen gibt es in Hammerfest. Unter anderem eine Kirche der Methodisten, eine Katholische Kirche und die weithin sichtbare protestantische "Vorzeige"-Kirche. Diese nennt sich einfach nur „Hammerfest Kirke“. Die Bauform soll einen Bezug zu den Nordischen Stockfisch-Trockengestellen darstellen. Nachdem in der Vergangenheit Holzkirchen immer wieder dem Feuer zum Opfer fielen, baute man endlich ein Gebäude aus Stahl und Beton. Vielleicht in der Hoffnung, dass sie zukünftig auch dem Deutschen Vandalismus standhalten wird. Man bemerke: die Deutschen haben im 2ten Weltkrieg Hammerfest dem Erdboden gleich gemacht und alles niedergebrannt.
Noch ist die Kirche ja wirklich hübsch… noch.
Viele Häuser in Norwegen haben ein hübsches Grasdach. Die "echten" Grashäuser der Samen sind komplett grasbewachsen.
In Nord-Norwegen, wie auch in Finnland, ist das Volk der Samen zuhause, also die "Eingeborenen" der Gegend. Wie diese Sumpfleute hausen oder gehaust haben, kann man auch in Hammerfest erfahren. Es gibt sehr schön nachgestellte Behausungen der Samen. Oben auf dem Kliff von Hammerfest gibt es sogar ein uriges Restaurant im Samenstil. Diese Häuser bestehen hauptsächlich aus Gras bewachsenen Zweigen und aus Erde. Manchmal hat man den Eindruck, man steht vor einem Erdhügel und wundert sich über die eingelassenen Fenster. In Norwegen gibt es überhaupt viele Häuser mit urigen Grasdächern.
Das Kliff oberhalb der Stadt bietet eine fantastische Sicht über Hammerfest, über den Hafen und über die ganze Fjordlandschaft. Viele Berge am Horizont sind bis in die Niederungen schneebedeckt. Und das mitten im August.
Stichwort Landschaft... genau! Wir haben zwar noch kaum etwas von Norwegen gesehen, sind aber jetzt schon von der Landschaft überwältigt. Und das Schönste soll ja erst noch kommen. Finnland und das Baltikum sind im Vergleich zu Norwegen schon fast langweilig. Die Norweger sind auch irgendwie sehr farbenfroh. Bunte Häuschen, knallrot, knallblau, knallgelb und knallgrün. Das gefällt mir.
Den Umgang mit dem Mundschutz nimmt man in Finnland noch um einiges gelassener als im Baltikum. Hier in Nord-Norwegen bekommen wir den Eindruck, es gibt gar kein Corona. Doch eines gibt es auch hier und wird kosequent genutzt: Desinfektionsmittel.
Auch in Norwegen bestehen für Touristen aus Deutschland keine Einreisebeschränkungen. An der Finnisch-Norwegische Grenze fanden keinerlei Kontrollen statt. Die Grenzübergänge waren unbesetzt.
Ein ungestörter Übernachtungsplatz in einer Bucht bei Forsøl nördlich von Hammerfest.
HIER GEHT ES ZUM ZWEITEN TEIL DES NORWEGEN-REISEBERICHTS: >Reisebericht Nord-Norwegen<
DATEN UND FAKTEN ÜBER NORWEGEN: (ist noch in Arbeit)
]]>
Auf dem Weg zum Nordkap, dem nördlichsten Europäischen Punkt und Hammerfest durchqueren wir nach dem Baltikum, also Litauen, Lettland und Estland, auch Finnland. Eigentlich wollten wir bei einer Reise in den fernen Norden durch Russland fahren und dabei das dortige Karelien und die Halbinsel Kola entdecken. Aufgrund Corona ist uns das nun leider verwehrt. 11 Tage verweilen wir in Finnland, vom 30. Juli bis zum 9. August 2020.
Das Wetter in Finnland ist so gigantisch schön sommerlich, dass wir uns dort länger aufhalten werden als geplant. Von einer Hitzewelle ist die Rede. Das Nordkap muss eben noch ein bisschen warten.
1. Helsinki 2. Finnische Seenplatte 3. Varkaus - das verrückte Museum 4. Savonlinna und Kerimäki 5. Rovaniemi, Polarkreis - Arktis 6. Lappland, Rentiere 7. Corona 8. Daten und Fakten |
Bei unserer Abfahrt vor 3 Wochen hatten wir keinen Plan. Sollen wir ans Schwarze Meer fahren oder nach Skandinavien? Finnland ließ zu jenem Zeitpunkt keine Touristen ins Land. Corona. Olaf, ein Bekannter von uns, befuhr zurzeit Schweden und beklagte sich, nicht durch Finnland reisen zu können. Unter anderem genoss er seit drei Wochen Dauerregen und Kälte. Andererseits wurde für mehrere Balkanländer ein Anstieg der Corona-Fallzahlen gemeldet. Wir entschieden uns schließlich für den Norden, siehe Reisebericht über das >Baltikum<
Was heißt Sonnenuntergang auf Finnisch? Helsinki!
Wir verlassen die Fähre aus Tallin, von Estland kommend, als befänden wir uns gar nicht im Ausland. Schengen macht’s möglich. Keine Kontrollen, auch nicht wegen Corona. Vor 2 Wochen wurden die Einreisebeschränkungen wieder aufgehoben. Komplett.
Unversehens befinden wir uns mitten in der Stadt. Der Fährhafen liegt eben auch mittendrin. Wir wissen noch überhaupt nicht, wohin wir fahren sollen und fahren einfach mal drauflos. Eine schöne Stadt, sagt unser Bauchgefühl. Zweimal umrunden wir das schön gestaltete Bahnhofsviertel.
Wir übernachten außerhalb der Stadt an der Ostsee.
Schön ist es rund um das ganze Bahnhofsgelände. Helsinki lädt zum Innenstadt-Spaziergang ein.
Finnland ist ein HiTec-Land, was elektronische Kommunikationsmittel betrifft. Irgendwie funktioniert hier alles automatisch. So fahren wir auf der Fahrt zurück nach Helsinki durchs finnische Silikonvalley, wo sich auch ein Komplex von Nokia befindet.
Bargeld scheint abgeschafft zu sein. Man bezahlt hier einfach alles bargeld- und kontaktlos. Auch kleinste Beträge. Wir parken in der Stadt an einer Felsenkirche, die wir besichtigen wollen. Die Parkplätze sind kostenpflichtig. Aber wie geht das? An einem Automaten mit Bildschirm tippt man das Autokennzeichen ein und hält das Handy dran und schon ist mit Apple-Pay bezahlt. Einen Parkschein ins Fahrzeug zu legen ist nicht notwendig. Die Politessen und Politesseriche haben auch ein Gerät und halten dieses an das Kennzeichen und schon wissen sie, ob sie per Knopfdruck ein Knöllchen verteilen dürfen oder nicht… natürlich auch elektronisch.
Temppeliaukio-Kirche - der Eingang der Felsenkirche. Mitten in der Stadt. Man hat das Gefühl einen Bunker aus dem Krieg zu betreten.
Mitten in Helsinki gibt es einen großen Felsen. Der blieb nicht ungenutzt. Christen bauten in den 60er-Jahren einfach eine Kirche hinein und drum herum. Der Fels wurde zum Bestandteil der Kirche. Im Innenraum sind die blanken Felswände zu sehen. Die Temppeliaukio-Kirche.
Am Eingang der Kirche kommen wir zufällig mit dem Kantor ins Gespräch, also dem Organisten. Er spricht Deutsch. Er gibt auch manchmal größere Orgelkonzerte, in dieser sowie in anderen Kirchen und Sälen. Er zeigt uns eine Treppe, die wir hochsteigen können und von oben fotografieren können. Machen wir. Doch als wir von unten in den Saal eintreten möchten, stehen wir vor eine Kasse. 10 Euro sollen wir löhnen. Wir löhnen nicht, haben wir eigentlich doch schon alles gesehen. Was würde Jesus sagen, wenn er hier rein wollte??? In seines Vaters Haus? Oder ist es doch nicht seines Vaters Haus...?
Die runde Temppeliaukio-Kirche in Helsinki wurde direkt in den nackten Fels gehauen.
Jetzt kommt was für Männer: Eisbrecher. Während der Sommerzeit liegen dicke Pötte an einem Kai, die sich im Winter durchs dicke Eis fräsen. Beeindruckend. Finnland nennt sich die Eisbrecher-Supermacht, ist das Land in Sachen Eisbrecher weltweit führend. Mit diesen gefräßigen Dickschiffen halten sie die Zufahrten und Schifffahrtswege aus der Ostsee kommend eisfrei. Eine Marketing-Meisterleistung gelang Finnland sogar, indem sie solch ein Schiff nach Afrika verkauften. Nun lockt auch eine weitere Verwegenheit: eine Nordost-Passage nach Asien eisfrei zu halten.
Auf Fotos sehen diese Schiffe gar nicht mal so groß aus, da sie von der Form her nicht einem Ozeandampfer gleichen. Steht man aber davor, fragt man sich dann, ob man nicht vor einem riesigen Gebäude steht.
Finnland - die Eisbrecher Supermacht - so mächtig wie die Eisbrecher selbst.
Der schönste Weg in den Norden Finnlands ist: entlang der russischen Grenze und durch die finnische Seenplatte. Sagte man uns. Wir haben uns vor der Reise über gar nichts informiert. Also folgen wir einfach diesem Rat und fahren ostwärts in Richtung der russischen Grenze bis nach Lapeenranta.
Kurz vor dieser Ortschaft übernachten wir an einem netten See in einem großen Waldgelände mit riesig viel Platz. Wir stehen ganz alleine für uns direkt am Wasser. Kurze Zeit später kommt ein Caddy angefahren, macht sich direkt neben uns breit und baut sein Surf- und Übernachtungslager um uns herum auf. Das darf doch nicht wahr sein. Ein Kuschelcamper!
Können wir den nicht irgendwie weg ekeln? Wir versuchen es und drehen unser Radio an. Laut. Schräge Rockmusik. Unser Dachzelt dämpft ja nicht wirklich irgendwelche Geräusche ab. Unser Krach geht uns selbst auf die Nerven. Wie lange wir das wohl durchhalten werden? Ich greife nach meinen Oropax. Wir erwarten Beschwerden. Es vergeht fast eine Stunde. Nichts. Und doch, gerade, als ich entscheide, die Musik wieder abzuschalten, höre ich einen Motor starten. Der Kuschler zieht von dannen. 100 Meter weiter... damit können wir leben.
Malerische Übernachtungsplätze sind in Finnland leicht zu finden - und sogar meistens mit eigenem See.
Lapeenranta ist das Tor zur finnischen Seenplatte. Die meisten Seen sind irgendwie miteinander verbunden. Diese Seen-Welt ist derart vernetzt und verschachtelt, dass man eher den Eindruck bekommt, man befindet sich auf einer Inselwelt mit 1000 Brücken verbunden. Aber so ist es auch irgendwie. In jedem See befinden sich unzählige Inselchen. Eigentlich ist das Ganze nur ein einziger riesiger See mit Tausend Inseln. Und um Straßen durch diese Landschaft zu bauen, nutzt man jedwedes kleine Stück festen Grund, sei es eine Insel, ein Isthmus oder eine Aufschüttung. Das klingt sehr interessant. Ist es auch. Hat aber einen gewaltigen Nachteil. Meist sieht man von dieser Insel- und Seen-Welt nicht viel. Die Straßen führen meist nicht am Wasser lang, so sieht man eigentlich nur Bäume und nochmals Bäume. Nur selten bietet sich eine Möglichkeit, von der Straße ab zum Wasser zu gelangen.
Noch ein Beispiel eines idyllischen Übernachtungsplatzes. Im Hintergrund ein typisches Haus im Nordischen Stil.
Einmal fällt uns auf einer Mikroinsel ein Fahrzeug mit deutschem Kennzeichen im Gebüsch auf, welches uns bekannt vorkommt. Hallo? Stand nicht vor ein paar Tagen ein junges Ehepaar mit diesem Fahrzeug in Estland im Fährhafen hinter uns in der Warteschlange? Und Tatsache, Melanie und Sebastian haben sich hier mit ihrem Sprinter-Camper hier gemütlich eingerichtet. Sie haben das gleiche Ziel wie wir. Auch sie wollen zum Nordkap. Sie betreiben die Webseite Kawanga.de.
Ach ja, ein Kleinod habe ich fast vergessen. An einem Strand von Lapeenranta finden jährlich Wettkämpfe im Sandburgenbau statt. Aber nicht irgendwelche Burgen des ordinären Publikums, sondern von Profis gebaut. Diese Burgen kann man den ganzen Sommer über bestaunen. So befindet sich immer ein fotogenes Schmuckstück darunter.
Die Sandburg (Hiekkalinna) wird jedes Jahr in Lappeenranta gebaut. Hierfür werden mehr als drei Millionen Kilo Sand an den gewünschten Stellen aufgehäuft, festgeklopft und in Formen gepresst, wonach das eigentliche Skulpturieren beginnt.
Wir planen eine Rundreise von 300 Kilometern durch diese Seen-Landschaft. Über viele viele Brücken und Fähren nach Norden und eine andere Strecke zurück, wieder über viele viele Brücken und Fähren nach Südosten. Dem ersten Highlight begegnen wir in...
Diesen Abstecher gönnen wir uns nur wegen eines Museums. Wir sind keine Museumsgänger. Eigentlich hassen wir Museen. Wir haben schon so viele gesehen, dass sie uns schon aus dem Hals heraushängen. Aber dieses Museum ist etwas Besonderes. Ein Museum für mechanisch-automatische Musikinstrumente. Das größte und markanteste von ganz Skandinavien. Das müssen wir uns ansehen.
Montags hat das Museum geschlossen. Es ist Montag. Das darf doch nicht wahr sein. Also legen wir eben einen Waschtag ein. In einem Waschsalon legen wir für unsere müffelnde Wäsche sage und schreibe 50 Euro auf den Tisch, damit sie danach wieder riechbar wird. 50 Euro!
Das Museum ist der Hammer. Selten haben wir ein Museum gesehen, in dem soviel Herzblut steckt. Die Betreiber haben wirklich das verrückteste Zeugs aus aller Welt zusammengetragen. Automatische Klaviere, Roboter, die Klaviere bedienen, raumfüllende Orchestermaschinen und Tanzkapellen, VW-Bullis, die mit einem Tonabnehmer auf einer Schallplatte rumrasen und diese abspielen, und ganz verrückt: Stereo, Quadro und… wie soll man das Bezeichnen: Trilereo Grammophone. Ja… Grammophone in Stereo! Und das funktioniert.
Der Oberhammer ist allerdings der Mann, der das alles vorführt: dieser spricht fließend finnisch und deutsch. Und zwar gleichzeitig. Ich wusste gar nicht, dass sowas geht. Der Kerl ist nicht zu toppen!
{avsplayer videoid=20}Ein 6-minütiges Video demonstriert ein paar Instrumente.
Das Kulturzentrum der finnischen Seenplatte ist Savonlinna. Das Sankt Moritz Finnlands. Die Ortschaft verteilt sich auf mehrere kleine Inseln. Alle durch Brücken miteinander verbunden. Ein hübsches Städtchen. Sehenswert ist das Schloss, Finnlands Vorzeigeschloss. Auf einer kleinen Insel gelegen und über eine Drehbrücke zu erreichen. Die Drehbrücke dreht sich in dem Augenblick, als wir ankommen und lässt einen Kahn passieren.
Uns interessiert mehr die Eisdiele davor. Jeder von uns inhaliert zwei leckere dicke Kugeln. Bezahlt wird, wie soll es anders sein, kontaktlos per Apple-Pay.
Savonlinna liegt mitten in der Finnischen Seenplatte auf mehreren Inseln verteilt. Die bekannteste Sehenswürigkeit dieser Stadt ist die mittelalterliche Festung Olavinlinna.
Der Welt größte Holzkirche steht in Kerimäki. Ja, richtig gelesen. Die größte Holzkirche auf unserem Globus. Ein Monstrum. 5000 Leute sollen da reinpassen. Ursprünglich war sie nicht beheizt, doch inzwischen befinden sich riesige Bolleröfen darin. Der Legende nach wurde die Kirche von einem amerikanischen Architekten vor 150 Jahren entworfen, der aus seiner Gewohnheit die Maßeinheit „feet“ nutzte. Der europäische Baumeister allerdings verstand die Maße in Meter. So wurde die Kirche etwa dreimal so groß, wie geplant.
Die größte Holzkirche der Welt steht in Finnland. Hoffentlich schlagen die vier Bolleröfen im Innenraum keine Funken...
Warum ist diese Kirche so groß geraten? Sie bietet mehr Platz als der Kölner Dom!
Zwei Polargreise am Polarkreis. So empfanden wir uns selbst, als wir den 66 Breitengrad in die Arktis überquerten. Rovaniemi. Hier wohnt der Weihnachtsmann.
Rovaniemi ist das Tor zur Arktis, denn hier beginnt sie. 50.000 Einwohner harren hier aus. Am 21. Juni eines jeden Jahres geht die Sonne hier gar nicht unter und am 21. Dezember erst gar nicht auf. Im zweiten Weltkrieg wurde die Stadt einmal vollständig zerstört, als ein Deutscher Zug, vollbepackt mit Munition, am Bahnhof explodierte. Nun tummeln sich in dieser kleinen Großstadt Touristen en Masse, die im Winter die Aurora Borealis, also die Nordlichter, und im Sommer die Mitternachtssonne bestaunen möchten.
Ein paar Kilometer nördlich außerhalb der Stadt befindet sich der Polarkreis, und zwar genau ausgedrückt am Breitengrad 66° 33‘ 55‘‘. Hier haben die Finnen den Weihnachtsmann untergebracht. Hier wohnt er also. Hier kann man ihn auch im Sommer, wenn er nichts zu tun hat, antreffen. Dafür wurde ein ganzes Besucherzentrum mit unglaublichem Kitsch aufgebaut. Für Kinder gibt es ein ganzes Weihnachtsmanndorf.
Mit einem Bein in der Arktis. Ja, ab jetzt befinden wir uns in der Arktis. Und das barfuß?
Ein nicht zu übersehender dicker Strich kreuzt die Fußgängerzone. Genau hier, auf den Zentimeter genau, befindet sich der Polarkreis. Hier beginnt die Arktis. Ab hier geht im Sommer die Sonne nicht mehr unter. Wenn man dann also auf dem Strich steht, befindet sich ein Bein im Dunkeln und ein Bein im Hellen. Oder das eine Bein friert in der Arktis ab, während auf dem in der gemäßigten Zone befindlichen anderen Bein die Schweißperlen hinabtriefen.
Aber irgendwie ist es dann doch anders. Sogar ein paar Hundert Kilometer weiter im Norden, in der Ortschaft Inari, sitzen wir bei 27° Celsius in einem Straßencafé in der Sonne. Arktische Gefühle kommen bislang nur schwerlich auf. Befremdlich ist nur, dass es nachts nicht mehr dunkel wird.
Das Erlebnis der Mitternachtssonne ist bereits seit 6 Wochen vorbei. Trotzdem wird es nachts nicht dunkel.
Als wir unser erstes Rentier in unserem Leben sehen, kreischen wir. Wir zücken unsere Kameras und ich fahre vor lauter Aufregung fast in den Graben. „Guck mal, ein Ikea“. Es dauert aber nur einen Tag und die Viecher werden uns lästig. Die latschen wirklich überall rum. Stehen plötzlich vor dem Auto und glotzen uns an. Ständig muss man ihnen ausweichen, sie verursachen Staus, stehen in den Vorgärten der Häuser, auf deren Rasen, auf Parkplätzen. Wie die Karnickel in Australien.
Rentiere in Finnland haben sich an die Menschen gewöhnt - sie stehen überall im Weg rum.
Wir befinden uns im Lappland. Im Land der Rentiere und Elche. Was es natürlich auch gibt, sind Lappen und Samen. Die Lappen sind ein recht hartgesottenes Völkchen. Wie hartgesotten, kann man >hier< nachlesen. Die Samen verstecken sich lieber in Häusern aus Stroh, Wurzeln und Lehm und befinden sich eigentlich noch weiter im Norden.
Birken und Fichten gibt es auch. Viele. Ganz viele. Wenn man nach vorne schaut, sieht man Birken und Fichten. Schaut man zurück, sieht man auch Birken und Fichten. Schaut man nach rechts… genau… Birken und Fichten. Die linke Seite möchte ich gar nicht mehr ansprechen…
…und dann überqueren wir die Grenze nach Norwegen...
Grenze nach Norwegen überschritten. Das Nordkap ist nahe...
Den Umgang mit dem Mundschutz nimmt man in Finnland noch um einiges gelassener als im Baltikum. Auch hier bestand während unserer Reise keine Maskenpflicht. Einzig und allein die konsequente und selbstverständliche Nutzung von Desinfektionsmitteln und Hinweise auf Abstandhaltung von einem Meter. Desinfektionsautomaten oder Flaschen für die Hände stehen wirklich überall zur Verfügung.
Die Einreiseeinschränkungen für Touristen aus Deutschland wurde Mitte Juli komplett aufgehoben. Ende Juli fand unserer Einreise statt. Das war so einfach, als hätte man in Deutschland mit einer Fähre irgendwo den Main überquert. Keinerlei Kontrollen.
So kann man es in der Arktis aushalten - bei 27 Ceslius, oder?
DATEN UND FAKTEN ÜBER FINNLAND: siehe >hier<.
]]>
Knapp zwei Wochen lang sind wir durch Finnland kutschiert. Den Reisebericht dazu kann man >hier< lesen.
Als Ergänzung ein paar Daten, wie wir Land und Leute erlebt haben. Pros und Kontras.
Die meisten Fahrzeuge mit einem ausländischen Kennzeichen tragen ein D-Schild. Und zwar wirklich mit Abstand die meisten. Und die meisten Reisenden verbinden Finnland auch mit einer Reise nach Norwegen. Wenn man schon mal so weit in den Norden gefahren ist...
Mit dem Flugzeug ist Helsinki eigentlich aus allen Deutschen Flughäfen zu erreichen. Helsinki ist die Stadt, von der alles ausgeht und in der sich alles trifft. Es ist populär, sich in Helsinki ein Fahrzeug zu mieten und einer Rundreise durch die Finnische Seenplatte zu unternehmen.
Die schnellste Route mit dem Fahrzeug ist sicher die Strecke durchs Baltikum nach Tallin und von dort mit der Fähre nach Helsinki. Möchte man direkt in den Norden von Finnland fahren, ist die Strecke über Schweden bei weitem schneller - sie ist kürzer und man fährt auf ausgebauten Straßen. Möchte man auf die Besichtigung von Schweden und dem Baltikum verzichten, ist die Fahrt mit einer Fähre über die Ostsee immer die effektivste Option. Mit der Fähre nutzt man in der Regel die Strecke zwischen Travemünde und Helsinki.
Wir fuhren mit unserem Expeditions-Fahrzeug über Polen, Litauen, Lettland und Estland in dessen Haupstadt Tallin und von dort mit der Fähre weiter nach Helsinki. Unser Ziel war schlussendlich ja doch das Nordkap in Norwegen. So führte uns der Rückweg schon fast automatisch über die Norwegische Küste zurück ins Heimatland.
Finnland ist Teil der EU und es gilt das Schengener Abkommen. Grenzkontrollen finden bzw. fanden nicht statt. Momentan auch nicht aufgrund Corona. Die Grenzen zu Russland waren, wie im Baltikum, alle geschlossen. Wegen Corona.
Im Juli 2020 kostete ein Liter Diesel in Deutschland etwas über einen Euro. In Finnland 20-30 Cent mehr. So ist es ratsam, vor der Einreise nach Finnland die Tanks bis zum Stehkragen zu füllen. Gefüllte Reservekanister sind allerdings nicht erlaubt. Die Preise an den Tankstellen variieren stark. Das Ausuchen von billigen Tankstellen lohnt sich. Bezahlt wird mit Kreditkarte. Viele Tankstellen sind daher erst gar nicht besetzt.
Der Finne schaukelt sein Gefährt recht moderat über die Straßen. Räikkönens und Häkkinens sucht man vergeblich. Die Straßen sind in recht gutem Zustand. Viele abgelegene Nebenstraßen sind geschottert, aber meist gut befahrbar.
Blitzer gibt es sehr viele und es herrscht Ganzjahres-Lichtpflicht, also Vorsicht. Die Strafen sind deftig. Alle Straßen sind mautfrei. Wir wurden jedenfalls nirgends zur Kasse gebeten.
In Finnland gilt, wie überall bei Rechtsverkehr, die Rechts-vor-Links Regel. Aber das sehr rigoros. Auch auf den breitesten Straßen vermisst man oft die üblichen Vorfahrtsschilder und wird von plötzlich auftauchenden Fahrzeugen aus irgendeiner Seitenritze überrascht.
Obwohl der Verkehr in Helsinki eher dünn ist, gibt es unzählige E-Bikes. Oder gerade deshalb? Natürlich bezahlt man die Leihgebühr kontaktlos per Apple-Pay oder dergleichen.
Wird das Rad am Ziel nicht mehr benötigt, lässt man es einfach irgendwo sichtbar stehen und der nächste Nutzer kümmert sich drum.
Solch ein Internet haben wir noch nirgends auf dem Globus erlebt. Das ganze Land ist auffällig gespickt mit Handymasten. Auffällig auch deshalb, weil die Masten um das mehrfache höher sind als in Deutschland. Egal, wo wir uns befanden, überall 4G und LTE-Empfang. Und das meist mit voller Feldstärke.
Und die Kosten? Man geht einfach in einen Zeitungsladen namens R-Kiosk, kauft eine SIM-Karte für knapp 20 Euro, steckt sie ohne weitere Aktivierung ins iPhone und surft los. Unlimited. Wirklich ohne Begrenzung. Einen Monat lang. Man benötigt beim Kauf auch keinen Ausweis, nichts.
Finnland ist eben ein HiTec Kommunikationsland.
Es gibt 3 oder 4 große Telekomanbieter. Wir nutzten elisa. Dies ist angeblich der größte Anbieter mit der besten Abdeckung im Land.
Solch ein Paket kauft man in einem Kiosk wie eine Tafel Schokolade. Technische und Organisatorische Dokumantationen und Beschriftungen sind in Finnland gründsätzlich zweisprachig.
Es ist schwierig in Zeiten von Corona etwas über die Kultur eines Landes zu schreiben. Wir haben die „Kultur“ weitgehend vermieden. Der Finne ist freundlich, hat immer ein Lächeln im Gesicht und hat so seinen eigenen Humor. Geschichten, die man über den Rennfahrer Häkkinen schreibt, scheinen wohl universell auf den Finnen zuzutreffen. Im Norden leben die etwas reservierteren Lappen und die Samen. Die Lappen sind abgehärtet, sagt man. Das wurde schon in vielen verschiedenen Geschichten, wie >>hier<< hier, verewigt.
Ein einziges Museum haben wir besucht, siehe >Bericht<. Wenn dieses Erlebnis als Beispiel für den Menschenschlag der Finnen steht, dann viel Spaß!
Finnland ist evangelisch-lutherisch. Zu 75%. Der Rest ist atheistisch. Was doch auffällig ist, ist der Anteil der schleiertragenden Frauen. Vor Jahren hat einmal ein ehemaliger uns bekannter Mitarbeiter der CIA in einem Gespräch erwähnt, dass Finnland durch den Islam untergraben wird. Das ist tatsächlich sichtbar.
Die Katholische und die Orthodoxe Kirche ist praktisch nicht existent.
Die Uspenski Kathdrale in Helsinki. Eine der ganz wenigen Orthodoxen Kirchen in Finnland stammt noch aus der russischen Herrschaft über Finnland.
Finnisch kann man nicht verstehen. Gar nicht. Unmöglich. Man kann auch wirklich gar nichts ableiten. Das macht aber nichts. Fast jeder Finne spricht auch auffallend gutes Englisch. Sogar in abgelegenen Dörfern. Bezeichnungen, Broschüren und Schilder sind vielfacht auch in Englisch abgefasst. Und in Helsinki wurden wir sogar des Öfteren auf Deutsch angesprochen.
Auch die Schwedische Sprache ist verbreitet, gilt sie überraschenderweise sogar als zweite Amtssprache. Im Norden wird bei den Völkern der Lappen auch Sämisch gesprochen.
Finnland ist noch flacher als das Baltikum. Irgendeine Erhebung haben wir gar nicht gesehen. Und wenn es welche gegeben haben sollte, haben wir sie vor lauter Bäume nicht sehen können. Denn Bäume gibt es wirklich viele. Zwei Arten: Birken und Kiefern. Manchmal auch Kiefern und Birken. Kein Wunder, gibt es fast nur Häuser aus Holz. Bunt bemalt. Hauptsächlich in rot und blau. Auffällig.
Schaut man auf eine Landkarte, bekommt man den Eindruck, in Finnland gibt es mehr Gewässer als Land. Auf der Fahrt durch diese Landschaft, bekommt man davon allerdings nicht viel mit. Der Grund sind die Bäume. Die versperren die Sicht. Die Straßen führen selten an den Ufern entlang. Vielleicht gibt es auch gar keine Wälder in Finnland. Wir haben keine gesehen… zu viele Bäume davor.
Spannend sind die vielen Sträßchen und Brücken, die die Inseln der Inselwelt in der Seenlandschaft verbinden. Die Brücken vermitteln dann doch einen guten Eindruck der Ausmaße dieser Landschaft. Man findet auch immer irgendwo ein nettes Plätzchen zum Übernachten.
Vor Mücken hatten wir Angst. Horrorstories wurden uns im Vorfeld erzählt. Vor unserer Abfahrt haben wir noch jede Stelle des Dachzeltes, wo Mücken vielleicht ein Schlupfloch finden könnten, penibel abgeklebt. Und was war? Keine Mücken. Also… fast keine. Nicht mehr als sonst auf unseren Reisen auch.
In Finnland sieht man manchmal den Wald vor lauter Bäumen nicht...
Auch Finnland ist Mitglied des Euroverbundes. Allerdings wird auch hier, wie schon im Baltikum, Bargeld kaum noch genutzt. Finnisches Ziel ist, in naher Zukunft das Bargeld komplett abzuschaffen. 1 und 2 Cent Stücke gibt es schon lange nicht mehr, es wird auf 5 Cent auf oder abgerundet. Auch beim bargeldlosen Verkehr.
Es ist schon fast peinlich, statt iPhone den Geldbeutel beim Bezahlen zu zücken. Auch Beträge von 50 Cent und weniger bezahlt man hier bargeldlos. Einfach alles.
Und aufgrund Corona geschieht dies fast ausschließlich kontaktlos, z.B. durch Apple-Pay.
Kraftstoff ist teuer, das erwähnten wir bereits. Lebensmittelpreise sind etwa 25% höher als in Mitteleuropa. Ein Bier kostet das 4-fache. Irgendwie ist in Finnland alles teurer als in Deutschland. Obst und Gemüse kosten ein Vermögen, außer Blaubeeren, Brombeeren und zum Teil Himbeeren. Blaubeeren wachsen in Finnland überall. Die Blaubeer-Marmeladentöpfe und Blaubeer-Joghurts sind eigentlich eher in Eimern abgefüllt. Also, Blaubeeren essen bis zum Umfallen.
Es gibt Lidl. Echt. Überall. Nach der heftigen Durststrecke im Baltikum verfallen wir wieder in die alten Gewohnheiten.
Tante-Emma-Läden gibt in Finnland es so gut wie nicht. Supermärkte befinden sich in der Regel in größeren Einkaufzentren. Die größte Supermarktkette ist S-Market. Dann folgen K-Market und Lidl. Das Angebot entspricht dem uns bekannten in Deutschland. Große Märkte sind auch Sonntags geöffnet.
Finnland ist ein Brotland. Roggen- und Knäckebrotland. Dunkles Roggenbrot gibt es in allen Variationen. Vielleicht sind sogar die Kartoffelchips aus Roggen. Die Finnen mögen auch Lakritze. Irgendwie scheint hier alles aus Roggen und Lakritze zu bestehen.
Auch wenn Finnland kein Billigland ist, sind die Einkaufsmöglichkeiten ausladend. Einkaufsafaris unterscheiden sind kaum von Deutschland.
Die Temperaturunterschiede zwischen Sommer und im Winter sind enorm. Im Winter können leicht -40° Grad unterschritten werden und im Sommer ist es nicht ungewöhnlich, nördlich des Polarkreises, also in der Arktis, am Thermometer 30° Grad und mehr abzulesen.
Hochsaison ist von Mitte Juni bis Ende Juli. Ab Mitte August schließen die ersten Touristenattraktionen bereits, sowie Campingplätze, Gasthäuser und Museen.
Am 21. Juni, am Tag der Sonnenwende strömen ganze Heerscharen nach Rovaniemi. An diesem Tag geht in dieser Stadt die Sonne nicht unter und alle bestaunen die Mitternachtssonne. Anfang August konnten wir die Mitternachtssonne leider nicht mehr genießen. Allerdings wurde es nachts auch nicht dunkel. Nachts um 1 Uhr hatten wir noch das Gefühl, als sei die Sonne gerade erst vor ein paar Minuten unter gegangen.
Wohnmobile gibt es wie Sand am Meer. Nicht von ausländischen Touristen, sondern von den Einheimischen. Angeblich ist es sehr populär, gebrauchte Wohnmobile aus Westeuropa zu kaufen. Für Neuwagen reicht der Füllstand im Geldbeutel meist nicht aus, was die Finnen aber nicht hindert, autarke Möglichkeiten in ihrem Lande auszukosten. Der Finne liebt sein Land.
Zu erwähnen bleibt: in Finnland gehen die Uhren eine Stunde vor.
Bei 27° auf dem 69.sten Breitengrad, also bereits tief in der Arktis oben, kann man im Hochsommer draußen Kaffee trinken, wie in Afrika.
Finnland ist weitläufig. Man findet praktisch überall ein Plätzchen zum Übernachten. Auf der finnischen Seenplatte sollte man allerdings Acht geben, wo man von einer befestigten Straße abbiegt. Da kann es schnell passieren, dass man auf sumpfigem Boden versinkt.
In Finnland gilt das Jedermannsrecht Skandinaviens. Die Bevölkerung toleriert das Freistehen und nutzt dies auch selbst recht intensiv. Wir hatten nie irgendwelche Probleme.
Das Jedermannsrecht bedeutet allerdings nicht, dass ich einfach überall campieren darf. Das Campieren in Nationalparks ist streng verboten. Es ist auch nicht erlaubt, einfach irgendwo mit einem Allrad auf eine Wiese zu fahren, um sich dort einzurichten. In Finnland ist man sehr auf die Erhaltung der Natur bedacht. Man sollte sich Plätze und Wege suchen, die auch sichtlich genutzt werden.
Allerdings kann es auch passieren, dass man Besuch von Rentieren oder gar Bären bekommt.
Beispiel eines Übernachtungsplatzes in Finnland - hier bekommt man keinerlei Probleme.
Zum Reisebericht durch Finnland gelangt man über diesen Link: >Reisebericht Finnland<
]]>
Auf dem Weg zum Nordkap, dem nördlichsten Europäischen Punkt und Hammerfest durchqueren wir das Baltikum, also Litauen, Lettland und Estland. 11 Tage dauert diese Tour, vom 20. bis zum 30. Juli 2020.
Eigentlich wollen wir möglichst schnell zum Nordkap hoch, solange es eben noch so einigermaßen sommerlich warm ist. Aber da wir noch nie im Baltikum waren, bleibt man doch hier und da mal länger hängen.
1. Litauen 2. Kurische Nehrung 3. Lettland 4. Riga 5. Estland 6. Tallin 7. Fähre nach Helsinki 8. Corona 9. Daten und Fakten |
Um ins Baltikum zu kommen fahren wir durch Polen, ist ja auch nahe liegend. Die Tour durch Polen gestaltet sich etwas umfangreicher. Dafür gibt es zwei Gründe: zum einen wir wollen Polen ein bisschen näher kennen lernen und nach neun Jahren auch den Ort der Vorfahren von Julie wieder einmal besuchen, und zum anderen ist aufgrund von Corona die Grenze nach Finnland für Reisende noch geschlossen. Erst Mitte Juli soll es wieder möglich sein, nach Finnland einzureisen. Reiseberichte über Polen findet man >hier<
Litauen ist flach, sehr flach. Es gibt keine Berge. Dafür gibt es Lidl. Noch. Angeblich macht Lidl im Baltikum kein gutes Geschäft und hat in den beiden Nachbarländern Lettland und Estland bereits alle Filialen aufgegeben.
Wir wollen die Grenze nach Litauen von Polen aus kommend nördlich der Stadt Suwałki überqueren. In Suwałki verplempern wir unsere restlichen Złoty in einem kleinen Supermarkt und sind aufgrund Corona gespannt, wie sich die Grenzkontrollen gestalten werden. Noch gibt es Einschränkungen für Reisende aus Deutschland. Doch unversehens befinden wir uns in Litauen, als hätte es gar keine Grenze gegeben und fahren bei schönstem Wetter nach Kaunas, direkt zur ersten Sehenswürdigkeit der Stadt: zum Lidl...
Kaunas ist in etwa so groß, wie Karlsruhe. Wir fahren einmal durch die Innenstadt und direkt weiter gen Westen, dem Fluss Memel entlang.
Memel... war da nicht was? Richtig, bis hierher reichte einst das Deutsche Reich. "So weit?", fragen wir uns, "war ja mal ganz schön groß, dieses Deutsche Reich..."
Wir übernachten an der Memel. Am Südufer. Mit Blick auf ein hübsches Kirchlein. Eine Sim-Karte fürs Internet haben wir uns nicht besorgt. Unsere polnische Sim-Karte mit 10 GByte Volumen funktioniert auch hier.
Unsere erste Übernachtung in Litauen - an der Memel - westlich der Stadt Kaunas.
Da drüben ist Russland - die russische Exklave mit Kaliningrad (Königsberg). Seht ihr die russische Flagge?
Das ist die Stadt Sowetsk, die einst den Namen Tilsit trug.
Viele Kilometer, eigentlich bis fast an die Ostseeküste, folgen wir dem Fluss Memel, welcher meist auch die Grenze zu Russland darstellt. Am Ufer des Kurischen Haffs finden wir ein nettes Plätzchen zum Übernachten, und fahren am folgenden Tag auf ebendiese, auf die...
Die Kurische Nehrung kennt man, jeder hat schon mal etwas davon gehört. Das Highlight im Baltikum. Da müssen wir hin, gigantische Sanddünen sollen da auf uns warten, klein Sahara. Wir sind gespannt.
Die Kurische Nehrung erreicht man nur über eine Fähre. Das kostet 12,70 Euro. Wir bezahlen. Auf der Nehrung prallt uns erst einmal ein großes Schild ins Gesichtsfeld: auf der ganzen Nehrung ist Camping verboten. Ganz am Ende der Nehrung gibt es einen Campingplatz. Nun… das hatten wir eigentlich nicht vor. Kaum aufs Gas getreten werden wir durch ein Kassenhäuschen ausgebremst: Der Besuch der Kurischen Nehrung kostet 30 Euro. Wir bezahlen. Bei dem Preis muss da alles ja wirklich toll sein. Die Spannung steigt.
Im Großen und Ganzen gibt es nur eine Straße. Sie reicht bis an die russische Grenze der Kurischen Nehrung. Wir folgen dieser Straße gen Süden. Was wir sehen, sind Bäume. Links der Straße und rechts der Straße. Wasser bekommen wir eigentlich nie zu Gesicht. Das kann doch wohl nicht sein. Laut Straßenkarte und Navi befinden sich die Ufer jeweils nur ein paar Hundert Meter links und rechts der Straße entfernt. Also biegen wir hier und da in einen wilden Rumpelweg ein, der jeweils auch zum Wasser führt. Doch diese Wege sind nur Sackgassen und enden am Grünzeug der Ufer.
So geht es weiter, bis zur Ortschaft Nida an der russischen Grenze. Hier befindet sich auch der Campingplatz. War’s das für die 30 Euros? Egal, dann schauen wir uns doch mal den Grenzübergang an. Dort soll eine Holzplattform stehen, auf welcher man nach Russland rüber schauen kann. Doch ein paar Kilometer davor ist die Straße gesperrt. Wir vermuten: aufgrund von Corona ist der Grenzübergang geschlossen und somit auch gleich die ganze Straße. Das war’s dann also mit der tollen Kurischen Nehrung.
Immerhin, in Nida befindet sich eine Residenz mit Souvenir-Kiosk von Thomas Mann. Nein, nicht der Kiosk ist von Thomas Mann, sondern die Residenz. Am Kiosk kauft sich Julie einen Kühlschrankmagneten. Der Verkäufer beklagt die Abwesenheit Deutscher Touristen in diesem Jahr. Dazu sagt Julie dann nichts.
Kurische Nehrung - hier soll es die höchsten Dünen Europas geben.
Wir geben nicht auf. Nach einer Nacht auf einem Wander-Parkplatz im Wald fahren wir wieder zurück nach Norden. Und tatsächlich… wir finden einen Weg, der an ein paar Dünen entlang führt. Wir besteigen diese.
Und da wird es doch noch ein bisschen schön. Hohe weiße Sanddünen, wie an der Deutschen Ostsee, nur eben ein bisschen höher. Nur, von einer Nehrung, wie wir das zum Beispiel von Griechenland kennen, spürt man hier nichts. Man sieht halt nur Strand.
Kuriose Schilder auf der Kurischen Nehrung. Frauen dürfen zu den Männern aber nicht umgekehrt.
Allerdings gibt es hier doch eine Eigenheit. Wir stehen vor einem eigenartigen Schild und ringen um Erklärungen. Weiblein rechts ab und Pärchen links? Wie das? Getrennte Badestrände für die verschiedenen Geschlechter? Aber wo bliebe da das Schild für die Männer?
Wir schauen später im Internet nach und werden fündig: die Strände sind in Litauen tatsächlich unterteilt. Frauen bekommen ihren eigenen Strandabschnitt, da können sie sein und sich verhalten, wie sie wollen: dick, dünn, mit oder ohne Kleidung. Für Männer tabu! Die Männer müssen zur Gemischtwaren-Abteilung. Da, wo sich die Männer aufhalten, dürfen auch Frauen und Kinder hin, nur nicht umgekehrt. Wir staunen…
…und fahren weiter in Richtung Norden.
Und plötzlich und unbemerkt sind wir in…
Wir erreichen die Küstenstadt Liepāja. Libau auf Deutsch. Die drittgrößte Stadt Lettlands. Eine kriegsgebeutelte Stadt mit viel Kultur und Geschichte. Eine schöne und interessante Stadt. Uralte Bauten entlang rumpeliger Pflastersteinstraßen, und doch nobel. In manchen Stadtteilen fühlt man sich um 100 Jahre zurückversetzt. Eine Augen- und Objektivweide. Wir können uns gar nicht statt-gucken.
Liepaja - eine wunderschöne historsche Stadt mit viel Geschichte.
Unter anderem besuchen wir ein altes russisches Kriegs-Gefangenenlager und eine orthodoxe Kirche. Zwei Gegensätze in fast derselben Straße. Im Gefangenenlager befinden sich Kanonen und Bilder vom Krieg, in der Kirche wird gerade gebetet. Die Kirche ist ebenso eindrucksvoll, wie die ganze Altstadt, ein richtiger Hingucker!
Im Hof des alten russischen Gefangenenlagers von Karosta - das einzige für Touristen geöffnete Militärgefängnis in Europa - wurde bis 1997 genutzt.
Russisch-orthodoxe Marienkathedrale des St. Nikolaus von Liepāja.
Wie bereits erwähnt, gibt es in Lettland keine Lidl-Filialen mehr, obwohl noch etliche in unserem Garmin-Navi eingetragen sind. Wir sind schockiert und überlegen, ob wir die Reise nicht abbrechen sollen. Trotz allen Widrigkeiten gelingt es uns, uns in die Lebensmittelkette Maxima bzw. Maxima XXX einzuarbeiten. Das ist nicht einfach, das Angebot unterscheidet sich merklich.
Wir wechseln nun die Seiten: vom Osten in den Westen, von der Ostseeküste zur russischen Grenze, was zwei Übernachtungen dauert. Doch dazwischen liegt...
Die Hauptstadt Lettlands. Groß und modern. Mit eindrucksvollen Bauten. Einziges Manko: kein Lidl. Mitten im Zentrum ein aberwitzig großer Obst- und Gemüsemarkt, was einen Lidl trotzdem nicht ersetzen kann. In ebendiesem Markt kann ich, Julie, einem Karton Kirschen nicht widerstehen. Ich hätte ein Foto davon machen sollen. Kirschen, Himbeeren, Blaubeeren… riesig. Irgendwie ist alles Obst größer und dicker als in Deutschland. Könnte fast schon einen Lidl ersetzen. Ich kaufe also einen Karton. Dieser wird von der Marktfrau derart vollgefüllt, dass er zusätzlich in eine Tüte muss, sonst hätte ich eine Kirsch-Spur bis zum Fahrzeug hinterlassen. Kann sein, dass die Marktfrau von meinem ungläubigen Blick betroffener war, als ich von der Größe der Kirschen.
Gebäude der Lettischen Akademie der Wissenschaften.
Ein Stand des riesigen Obst- und Gemüsemarktes in Riga.
Am östlichen Stadtrand finden wir ein schönes Plätzchen an einem wunderschönen romantischen See, zum Übernachten. Das finden kurze Zeit später auch ein paar junge Leute in einem sehr tief gelegten BMW mit eingebautem Giga-Ghettoblaster. Sie stellen ihr Fahrzeug direkt neben unseres und öffnen die Türen. Der Schalldruck weht unsere Haare nach hinten. Wir hoffen, dass sie bald verschwinden werden. Tun sie nicht. Sie machen sich mit einer Wodkaflache am Picknicktisch neben uns breit und grölen. Breit ist bereits auch einer der Mitstreiter… sehr breit. Und ausfallend.
Übernachtungsplatz an einem wunderschönen See bei Riga.
Nach einer Weile fragt Julie vorsichtig, wie lange sie denn bleiben würden und erwähne, dass wir uns in unserem Fahrzeug nicht mehr unterhalten könnten. Wir seien ja nur Gäste in diesem Land und würden ggf. weiterfahren. Schnell steht der Fahrer des Fahrzeugs auf und dreht das Radio leiser. Ein anderer spricht fließend englisch und entschuldigt sich. Nein, wir sollen hierbleiben, wir seien doch die Gäste und wir sollen doch unsere Reise genießen. Sie packen ihre Sachen zusammen und verlassen das Gelände. Wir sind sehr erstaunt. Solch einem Verhalten begegnet man in Deutschland nicht.
Am nächsten Tag fahren wir weiter ostwärts, quer durch Lettland in Richtung der „richtigen“ russische Grenze und befinden uns plötzlich in...
Kein Lidl! Im ganzen Land nicht. Sollte uns das Heimweh packen? Nein, wir schaffen das…!
Wir verirren uns im Wald. Nicht ganz… wir sind auf Spurensuche nach sogenannten Wald-Megafonen. Wald-Megafone? Erstaunt schauen wir uns beide an: Wald-Megafone? Was ist das denn? Also hin. Und tatsächlich. Irgendwo in einem ordinären Wald liegen sie: riesige Tröten, aus Holz. Allerdings sollen diese Megafon-Trichter nicht zum Tröten sein, sondern zum Hören. Die Dimensionen finden wir allerdings nicht ganz passend für unsere Ohren. Jedenfalls soll man damit die Geräusche des Waldes besser hören können: Vögel und anderes Gezirps. Wir hören nichts. Doch für lustige Fotoaufnahmen sind diese Tröten allemal gut. Wir übernachten in diesem Wald.
Eines der Waldmegafone - ein bisschen zu groß für unserer Ohren - gehört haben wir nichts...
Eine andere Sehenswürdigkeit sind die Höhlen von Piusa. Im Süd-Osten des Landes, nahe der russischen Grenze. Menschengemachte Höhlen aus Sand – oder genauer: Sand aus Quarzstein, das sich hervorragend für die Herstellung von Glas eignet. Von 1922 bis 1970 wurde hier Sand abgebaut. Nach der Schließung sollte das alles weggesprengt werden, was aber nicht so recht gelang. So haben sich hier seitdem Unmengen von Fledermäusen eingenistet. Mit Kolonien von mehreren Tausend Tieren soll hier die größte Überwinterung dieser Viecher in Osteuropa stattfinden.
Quarz-Sandhöhlen bei Piusa - alles handgemacht und einsturzgefährded - ein Paradies für Fledermäuse.
5 Euro kostet eine Führung, ohne Führung lassen sie niemanden rein. Mit einer Führung kann man dann diese Höhlen besichtigen, nicht aber die Fledermäuse. Diese sind unter Schutz gestellt. Angeblich verlassen sie den Ort, wenn sie gestört werden. Zausel muss nur 4 Euro löhnen, aufgrund seiner Sehbehinderung. Julie darf so rein, als Begleitperson eines Behinderten. Julie muss ja schließlich aufpassen, dass der Zausel nix kaputt macht.
Die Besuchergruppe besteht offenbar nur aus Finnen, außer uns beiden. So wird in aller Selbstverständlichkeit die Führung auf Englisch abgehalten. Nur wegen uns. Die Dame meinte lapidar „Die Finnen werden das schon verstehen…“ Wir sind baff!
Lange Zeit wurde der Quarzsand auch im Tagebau abgetragen. Oberhalb der Höhlen. Dieser Fleck wird im Scherz „Little Egypt“ genannt. Ja, so sieht es auch ein wenig danach aus.
Klein Sahara - eine Sandwüste von Piusa - darunter befinden sich die Quarz-Sandhölen.
Wir fahren an der russischen Grenze entlang, im Abstand von ein paar Hundert Metern. Viele Schilder und mehrspurige Zufahrtsstraßen und große betonierte Flächen deuten auf einen wichtigen Grenzübergang hin. Ist es auch: es ist ja schließlich die Hauptstrecke von West-Europa nach St. Petersburg. Ursprünglich wollten wir da ja auch hin. Doch alles sieht wie ausgestorben aus. Die Grenze ist geschlossen. Corona…!
Fahren wir eben weiter. Am Lake Peipus entlang zur zweitgrößten Stadt Estlands: Tartu. Zum Einkaufen. Nein, nicht zum Lidl. Zu einem Coop. Es gibt hier keinen Lidl. Haben wir das schon erwähnt?
Unser Reiseführer empfiehlt, dass wir uns unbedingt die schnuckeligen Dörfer der „Altgläubigen“ anschauen sollen. Diese Dörfer liegen an den Ufern des Lake Peipus. Die Altgläubigen sind religiöse Flüchtlinge, die sich den Änderungen der russisch orthodoxen Kirche widersetzten, sich hier niederließen und trotzig ihrem Glauben frönen. Man fühlt sich dort um 100 Jahre zurück versetzt. Wir haben das Gefühl, es gibt hier mehr Kirchen als Einwohner. Alles ist auffallend aufgeräumt. Offensichtlich achtet jeder auf den anderen, ob er sich auch wirklich korrekt benimmt.
Was für eine schöne Kirche der Baptisten von Mustvee...
Hier ist die Zeit stehen geblieben... ein Dorf der Altgläubigen im Osten Estlands.
Zwei Tage später erreichen wir bei schönstem Sommerwetter die Hauptstadt Estands...
Hochsommer, strahlend blauer Himmel. Wir fahren x-mal kreuz und quer durch die schöne Stadt. Die Stadt ist so schön, dass wir ungewollt aus Versehen auf dem Domberg landen. Dort steht die wunderschöne Alexander-Newski Kathedrale, die wir mehrfach umfahren, umlaufen und ablichten. Direkt gegenüber steht ein Schloss, das Parlament von Estland. Schick. Von hier oben bietet sich ein schöner Blick auf die Altstadtmauern.
Die Alexander-Newski Kathedrale am Parlament in Tallin.
Die alte Stadtmauer am Domberg. Die Mauer ist noch auf mehrere Kilometer erhalten.
Aber wir wollen zum Rathausplatz in der Altstadt. Das Highlight von Tallin überhaupt. Unser Navi kennt das und will uns netterweise hinführen. Doch wir biegen aus Versehen falsch ab und landen wieder auf dem Domberg. Ok, versuchen wir’s eben nochmal. Ziemlich verzwickte Verkehrsführung. Diesmal biegen wir nicht falsch ab, und landen… auf dem Domberg. Was? Das kann doch nicht so schwer sein…? So schnell geben wir jedenfalls nicht auf. Nun aber gut aufgepasst. Dritter Versuch. Jetzt haben wir’s. Da vorne müssen wir rum… und landen auf dem Domberg… Donnerwetter… gibt’s davon mehrere? Diese Aktion hat bei diesem Verkehr eine geschlagene Stunde gedauert.
Wären wir doch zu Fuß in die Altstadt gelaufen. Aber eben das wollten wir vermeiden. Zausel kann mit seinen visuellen Einschränkungen nach seinem Schlaganfall nicht mehr so einfach durch eine Stadt wetzen. Später erfahren wir, dass die öffentlichen Verkehrsmittel in Tallin kostenlos sind.
Kostenlos in Tallin ist auch das überall vorhandene WLan. Kostenloses Internet ist ein Grundrecht in Estland. An jeder Bushaltestelle, Restaurant, Museum, eigentlich fast überall. Tallin soll das dichteste WLan-Netz Europas aufgebaut haben. In Tallin ist übrigens das Programm Skype programmiert worden. Heute gehört diese Applikation einer unscheinbaren Firma namens Microsoft und heißt nun Microsoft Teams.
Leider können wir Tallin nicht so recht auskosten, denn unsere Fähre wartet. Wer weiß, vielleicht kommen wir wieder...
Aufgrund Corona hoffen wir, dass die Fahrpläne stimmen, wir buchten bereits vor ein paar Tagen. Das war problemlos und kostete für unser Fahrzeug knapp 100 Euro. Die Überfahrt wird 2-¼ Stunden dauern.
Die Schilder auf dem Hafengelände sind unterirdisch, wie eben auf allen Häfen. Man weiß nicht, wo man hinfahren soll und wir landen auch prompt auf der Spur nach Helsinki. Prima, da wollen wir ja auch hin. Doch es ist die falsche Spur. Wir müssen auf eine Spur mit Schildern, die alle Destinationen aufzeigen, nur nicht Helsinki. Wenn man also nach Helsinki will, darf man sich nicht in die Spur nach Helsinki einordnen. Seltsame Logik. Aber es klappt. Die Fähre ist zu etwa zu einem Viertel belegt.
Beim einchecken wurde uns bewusst, dass wir uns dem HiTec-Land Finnland nähern. Wir wurden weder nach der Buchung noch nach sonstigen Papieren gefragt. Wir fuhren einfach durch. Abgewickelt wird das alles per Scanner-Kameras. Das Fahrzeugkennzeichen wird automatisch unseren Buchungsdaten aus dem Internet zugeordnet. Weitere Kameras stellen fest, ob wir auch Höhe und Länge wahrheitsgemäß angegeben haben.
Gigantischer Ausblick von unserem Cafétisch hinaus aufs Meer...
Es besteht generelle Maskenpflicht. Der Bug ist über zwei Stockwerke mit einer gigantischen Frontscheibe ausgestattet und bietet uns einen großartigen Blick aufs Meer voraus.
Und wieder: kein Lidl auf der Fähre, auf dem ganzen Schiff nicht! So ziehen wir uns von der Kaffeebar für 10 Euro einen Cappuccino mit Muffin rein. Erlösung ist aber in Sicht: in Finnland soll es Lidls geben. Wir sind schon ganz aufgeregt!
Bereits in Polen nahm man das mit dem Mundschutz nicht mehr so genau. Im Baltikum bestand während unserer Reisezeit keine Maskenpflicht. Nur ganz vereinzelt in Supermärkten begegnet man mal jemandem mit einer Maske. Und je weiter wir nach Norden kommen, desto lockerer wird das genommen.
Was man allerdings in allen öffentlichen Einrichtungen und Supermärkten sieht, sind Schilder, die auf eine Abstandshaltung von einem Meter hinweisen. Und überall stehen Desinfektionsautomaten oder Flaschen für die Hände zur Verfügung. Diese werden auch in aller Selbstverständlichkeit intensiv genutzt, von jedem. In Deutschland beobachteten wir eher das Gegenteil: Mundschutztragen ist obligatorisch, bereitgestellte Desinfektionsmittel werden weitgehend ignoriert. Ob das ein Grund ist, dass es in Skandinavien weit weniger Coronafälle gibt? Hände desinfizieren und nochmals desinfizieren?
Im Baltikum wachsen die Bäume sogar auf Türmen...
Ja, hier haben die Wikinger gehaust... Um ein Mitglied zu werden, müssen meine Muskeln wohl noch etwas wachsen.
DATEN UND FAKTEN ÜBER DAS BALTIKUM: siehe >dieser Beitrag<.
]]>