Trackspatz auf Weltreise

Der falsche Rommel

Der falsche Rommel

 

Nachdem wir mit der „Pistenkuh“ und den Fahrradfahrern aus Darmstadt die Stadt Douz erkundet hatten, wollten wir mal etwas ganz Verwegenes in Angriff nehmen: Eine Rundtour. Als Touristen eben. Gibt ja außer uns keine.

Kibili

In der nächsten Stadt Kebili gibt‘s einen nennenswerten Supermarkt, wo wir u.a. Mineralwasser fassen. Als wir dann ein wenig durch die Nebenstraßen kurven, entdecken wir eine Hähnchenbraterei. Zwei halbe Gockel von geringem Preis und veritabler Größe sind schnell eingeladen und bereichern unseren Abendbrottisch, den wir wenig später am Fuße eines Tafelbergs aufstellen.

Nirgends auf der Welt haben wir derart problemlos Möglichkeiten zum freien Campen gefunden wie in Tunesien. Und: Man belästigt uns nicht. Schön.

Am nächsten Tag geht es dann auf die angesprochene Rundtour, die wir als Vorschlag dem Offroad-Touren-Buch des Mdmot-Verlags entnehmen, und die den interessanten Namen „Bergoasen-Rommel-Piste“ trägt. Wir freuen uns auf anschauliche Historie.

Kibili Camp am Tafelberg

Zunächst direkt über den größten (vermeintlich trockenen) Salzsee Afrikas. Man hat eigens einen Straßendamm quer drübergebaut, und es empfiehlt sich, diesen nicht zu verlassen. Ein verrosteter Doppelstockbus mitten im See sowie etliche wilde Spuren zeugen von den Gefahren, wenn man die Straße verlässt.

Alle paar Kilometer laden Cafés und Boutiquen zum Rasten ein. Nur eines davon hat geöffnet, der Rest rottet vor sich hin.

Tozeur

Cafe in Tozeur

Am anderen Ufer wartet Tozeur. Eine quicklebendige Stadt mit einem touristisch geprägten Kern. Aber muss ich es nochmals wiederholen? Ohne Touristen. Etliche Souvenirläden dümpeln vor sich hin. Die üblichen Straßencafés. In eines setzen wir uns. Wir werden von allen Seiten auf Deutsch begrüßt. Ein paar Brocken kann fast jeder. Aber niemand wird aufdringlich. Lange halten wir uns nicht auf. Es geht weiter in Richtung algerische Grenze. Vor uns liegt Chbika, eine alte Römersiedlung mit Wasserfall und sich drängenden Reisebussen, die ihren Inhalt Scharen von einheimischen Führern und Andenkenhändlern überlassen. So steht es in unserem etwas älteren Reiseführer. Zu uns kommt ein einsamer nicht ganz junger Herr, der uns die Begleitung zum Wasserfall anbietet. Er ist so allein wie wir.

Es tut mir leid, dass ich auf der desolaten Situation des Fremdenverkehrs so herumreite, aber die Lage ist halt so, dass sie auch für uns ein beherrschendes Thema ist. Auch in Gesprächen mit den Einheimischen. Man möge mir dies verzeihen.

Schlucht mit Wasserfall - Algerische Grenze

Wir sind ganz nahe der algerischen Grenze, und zu dieser machen wir uns auf. Kurz vor der Grenze werden wir mit wildem Geschrei von einer Militärstellung aus, an der wir schon fast vorbei sind, zurück- und zu ihnen hingewunken. So richtig mit Maschinenpistolen und ähnlichem. Aber wieder erklärt man uns ausgesucht freundlich, dass sie bedauern, uns nicht weiterlassen zu dürfen. Algerien. Grenze. Gefahr. Leider. Man versteht?

Natürlich „versteht“ man – was bleibt einem anderes übrig?

Auch die Soldaten bekommen unser Erklärungskärtchen. Und am Abend haben wir dann schon zwei weitere Follower.

Die weitere Strecke durchs Gebirge wird in älteren Beschreibungen noch als ultimative und spannende Offroadstrecke angepriesen. Heute ist sie nagelneu und großzügig asphaltiert. An einem Aussichtspunkt zu einer Schlucht stehen zwei Souvenirhändler. Mit einem unterhalten wir uns, und er bietet uns sein kärgliches Sammelsurium an. Nein, wir kaufen nichts.

Er fragt uns nach einem Stückchen Schokolade.

Tamerza

Tamerza

Aber jetzt weiter nach Tamerza, einem Inbegriff des aufstrebenden Tunesiens. Nirgends ist eine Stadt derart geprägt von einem einzigen Hotel wie hier. Alt-Tamerza ist nach Unwettern nur noch eine bizarre Ruinenstadt und flussabwärts als neue Stadt wieder aufgebaut worden. Gegenüber den Ruinen hat man am Hang ein monströses Hotel, das „Tamerza Palace“, erbaut mit einer Länge von etwa 200 Metern. Für ein Städtchen von ca. 5.000 Einwohnern. Natürlich ist es seit Jahren geschlossen.

Wir fahren durchs Flussbett zur Ruinenstadt, gefolgt von drei jungen Männern, die uns bei der Besichtigung keinen Moment alleinlassen. Nett sind sie ja, und etwas wie Konversation gelingt auch. Einer „outet“ sich sogar als Christ, belacht und verspottet von den anderen. Wenn nur die Ahnung nicht wäre: Prompt gehen sie uns nach dem gemeinsamen Foto um Geld an. Schade.

Immerhin akzeptieren sie unsere Weigerung ohne große Aufdringlichkeit.

Mides

Kurz danach geht‘s ab nach Mides, einer traumhaft schönen Palmenoase an einer mindestens ebenso schönen Schlucht, deren faszinierender An- und Einblick allein fast einen Tunesienurlaub lohnen würde, und einer verfallenden Ruinenstadt aus hier üblichen Lehmziegeln. Dazu ein längst geschlossenes Café und zwei Andenkenverkäufer, denen man ansieht, dass sie schon die Hoffnung aufgegeben haben, auch nur eine Sandrose zu verkaufen. Oder eines der Tücher, die schon seit Monaten sinnlos im Wind wehen.

Rommelpiste

Nun zieht es uns aber weiter zur „Historie“: Hier lockt natürlich der Name „Rommel-Piste“. Nicht dass wir irgendeiner Glorifizierung nachhängen, aber es reizt schon, Schauplätze der Geschichte – auch der schlimmen Geschichte – im Original zu sehen und sich vorzustellen, was dort einst wie geschah.

In Redeyef biegen wir auf eben diese Piste ein, die uns erst einmal direkt durch eine riesige Müllkippe führt. Tonnen über Tonnen einfach in die Landschaft gekippt. Und ein großer Teil brennt und kokelt. Kaum auszuhalten. Dann geht‘s aber über den Berg in Täler von bizarrer Schönheit. Und die Beton-Panzerplatten befestigen die Straße, die sich in Serpentinen windet, wie eh und je. Da kommt man ins Staunen, wie das heute noch hält. Es wird dunkel, und unweit der Piste finden wir einen windgeschützten Übernachtungsplatz.

Rommelpiste

Geweckt werden wir von nahem Gewehr- und Maschinengewehrfeuer. Hallo? Da war doch was? Rommel kann‘s jedenfalls nicht mehr sein. Aber da war doch noch das nahe Algerien mit all seinen Gefahren? Seltsam. Wir werden es nicht erfahren. Irgendwann hört es auf. Und wir fahren weiter. Gegen Ende der Piste dann noch ein Kuriosum: Eine Brücke mit gemauertem Unterbau ist zu über der Hälfte eingestürzt, und der Fahrbahnrest, den man gerade so noch benutzen kann, hängt hohl in der Luft. Das erkennt man aber erst von der anderen Seite zu Fuß. Und da ist man ja schon drüber. Erst mal tief durchschnaufen.

Später erkenne ich auf zehn Jahre alten Bildern, dass es damals schon so ausgesehen hat. Aber das beruhigt nicht wirklich.

Kurz danach sind wir wieder in Chbika mit seinem einsamen Wasserfallführer, und durch kilometerlange Palmenhaine zurück in Tozeur. Ein paar Besorgungen (Internet aufladen, um euch wie hier langweilen zu können), Geld fassen, Lebensmittel auffüllen – und leckeren Cappuccino im Straßencafé trinken, wo man uns schon wie Stammgäste begrüßt.

Habe ich schon erwähnt, dass es nur wenige Touristen gibt?

Ach, fast hätte ich es vergessen zu erwähnen, was ich rausgefunden habe: Rommel ist nie in dieser Gegend gewesen. Die Betonplattenstraße ist erst 1956 von der französischen Armee und der tunesischen Bevölkerung gebaut worden, um die Truppen gegen die algerische Widerstandsorganisation FLN positionieren zu können.

Woher die Bezeichnung „Rommel-Piste“ kommt, weiß kein Mensch.

Wir auch nicht.

Rommelpiste

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Zausel

Zausel

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Der Trackspatz guckt immer erst mal drauf, ob's sich nicht schon wieder um Werbe-Spam handelt

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Friedrich-Wilhelm Kirchhoff
Rommel-Piste
Moin Zausel, vielen Dank für den tollen und amüsanten Bericht. Wir möchten die „Rommel-Piste" in 2 Wochen mit PKW befahren (habe ich schon 2x gemacht. 2000 und ca. 2009). Nun schreibst du etwas von der eingestürzten Brücke. Weißt du, ob sie immer noch eingestürzt ist oder vielleicht mit PKW befahrbar?
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Julie
Rommel-Piste
Jetzt beantworte ich (Der Trackspatz) einfach mal die Frage.
Nein, wissen wir nicht. Aber was man an dem Bild nicht sieht: man kann um das kaputte Teil der Brücke herumfahren - geht ein paar Meter rechts davon vorbei.
Ich würde da bedenkenlos mit einem PKW fahren. Machen die Einheimischen in der Regel ja auch - die finden immer einen Weg, den man mit einem alten Golf fahren kann... wink

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